Nachdem die Plage der Neurodermitis und ein neues Behandlungskonzept mit einer Vitamin-B12-haltigen Salbenzubereitung in den vergangenen Monaten die Öffentlichkeit bewegt hat, habe ich Bilanz über meine eigene Leistung bei diesem Krankheitsbild mit den Mitteln der klassischen Homöopathie gezogen. Während mein früheres Herangehen mit den gängigen Polychresten wie Sulfur, Calcium carbonicum, Phosphor oder Arsen unbefriedigende Ergebnisse brachte, kann ich mit dem Einsatz kompletter Salze wesentlich mehr Erfolg verbuchen. Den ersten Teil meines Berichtes, veröffentlicht in der vorherigen Ausgabe von Homöopathie aktuell, widmete ich vor allem den Natrium-Salzen, die meines Erachtens das hohe Vorkommen der Sykose beantworten – zu 80% in meinem Patientengut.
Ein anderes, gewichtiges Miasma, dessen Studium mich die vergangenen fünf Jahre intensiv bewegt hat, ist die Syphilinie. Dessen Verbreitung schätze ich auf 30 bis 40% und seine Hauptarzneien sind nach meiner Ansicht Quecksilber, Gold und Arsen, daneben aber auch alle Halogene, also Jod, Brom, Fluor und Chlor, schließlich als Ergänzung bei gewissen Zuständen alle anderen Metalle wie Cuprum, Plumbum, Argentum etc..
Die hereditär-miasmatische Verfassung, gleichzusetzen mit der Konstitution, beantworten bei der Syphilinie nach meiner Meinung vor allem die drei Hauptmittel; aber auch deren Einsatz brachte mir bisher nur dann gute und nachhaltige Erfolge, wenn ich sie in salzartiger Kombination anwandte.
Während die Sykose, die gut von den in der vorherigen Ausgabe beschriebenen Natrium-Salzen erreicht wird, mit dem Stichwort der „Übertreibung“ beschrieben wird – also gutartige Tumoren in Form von Warzen oder überschießende Reaktionen, wie sie den Allergiker treffen -, so prägt das syphilitische Miasma schon eher der Charakter der „Destruktion“.
Quecksilber (Mercurius) trifft das Nervensystem, aber auch gerne die Schleimhäute der Körperöffnungen wie Augen, Ohren, Nase, Mund, Analregion, aber auch das Genitale. Ein impulsiver, aggressiver Charakter kennzeichnet die Psyche. Gold (Aurum) reicht am tiefsten mit der Störung des Zentralnervensystems, der Sinnesorgane, der Knochen und Gelenke und des Herzens. Leistungsorientiertheit, Erfolg- und Machtstreben sind die Wesensmerkmale, aber auch große Selbstzweifel und tiefste Depression. Arsen (Arsenicum album) betrifft mehr die Bereiche zwischen diesen Ebenen, nämlich Atemwege und Magen-Darm-Trakt, die Wesensart ist oft Angst, Genauigkeit, Zwanghaftigkeit und Besitzanspruch.
Dies sind natürlich pauschale Anmerkungen und Charakterisierungen, die der Patient nicht immer vorweisen muss. Aber die Art und der Ort seiner Erkrankung können uns den Weg weisen, schließlich auch das Vorkommen entsprechender Krankheiten unter seinen Vorfahren.
Im Folgenden will ich einige Kasuistiken vorstellen, wo Kombinationen mit Antisyphilitika auch in der Ekzem-Therapie hilfreich waren:
Tanja A., ein junges Mädchen, litt nicht nur unter einem nässenden, mit Krusten bedeckten Ekzem am ganzen Körper, sondern auch an allergischem Asthma bronchiale und einer hartnäckigen Durchfallsneigung. Ihr Juckreiz verschlimmerte sich in der Wärme und sie kratzte sich blutig. Die Auswertung der Details ihrer vielfältigen Symptomatik verwies sehr häufig auf Sulfur und Pulsatilla. Beide Arzneien deckten in der Repertorisation alle ihre Symptome ab. Laut J.T. Kent ist Kalium sulfuricum oft das sogenannte chronische Pulsatilla, nach meiner Beobachtung verweist Pulsatilla in chronischen Krankheiten aber auf alle möglichen Schwefel-Salze, nicht nur auf besagtes Kalium sulfuricum. Somit war bei Tanja schon mal ein Sulfat indiziert. Zur weiteren Präzisierung verhalfen zwei weitere Symptome: Asthma im Sommer in nächtlichen Anfällen deutet auf die Syphilinie hin, und ihre Hyperaktivität verwies auf Mercurius. Ich muss gestehen, dass es mich dennoch einen längeren Weg kostete, zu Mercurius sulfuricus zu finden. Die anfänglichen Mittel bescherten uns ein Auf und Ab, aber ab der Entscheidung für diese Arznei fand Tanja zu konstanter Stabilisierung, verloren sich das Asthma und die Durchfallsneigung und fand sie Erlösung von ihrem Juckreiz. Die stark verdickte Haut der Arme wurde zunehmend weich und geschmeidig. Zu dem Zeitpunkt der Niederschrift ging die Behandlung mit dieser Arznei bereits ein Jahr und zeigte kontinuierliche Besserung.
Udo S., ein knapp vierzigjähriger Patient, hatte vor allem eine trockene, gerötete Haut im Gesicht, stellenweise auch an den Armen. Der Juckreiz war zeitweise intensiv, so dass auch er sich blutig kratzte. Vor allem durch Schweiß wurden seine Beschwerden schlimmer. Ich begann die Behandlung mit Natrium sulfuricum, da er einige Sykose-Merkmale hatte wie etwa eine starke Körperbehaarung oder kleinere Warzen. Damit kam ich aber nicht weiter. Die Familienanamnese wies einige syphilitische Krankheiten auf, vor allem von väterlicher Seite eine Apoplex-Neigung. Er selbst hatte als Kind einen raschen kariösen Zahnverfall und eine auffallende Neigung zu eitrigen Tonsillitiden, konstitutionelle Merkmale, die gleichfalls in Richtung zerstörerischer Disposition weisen, wie sie am deutlichsten der Syphilinie zu eigen ist. In der Repertorisation der einzelnen Symptome trat Mercurius gut zutage, aber auch Phosphor-Elemente arbeiteten sich heraus bei der Auswertung der weiteren Krankheitsentwicklung. Kurz und gut, ich stieß relativ bald auf Mercurius phosphoricus und erreichte damit eine kontinuierliche Ausheilung, so dass die Behandlung nach zweijähriger Gabe dieser Arznei abgeschlossen werden konnte, vor nun gut eineinhalb Jahren. Die Warzen sind übrigens auch verschwunden.
In einem Aufsatz für die Allgemeine Homöopathische Zeitung, veröffentlicht im November 2009, beschrieb ich die Behandlung einer Dame mittleren Alters, Monika E., die nicht nur zu einem ausgeprägten Ekzem neigte, sondern auch eine Hypertonie aufwies und schon in relativ jungen Jahren von deutlicher Arthrosebildung geplagt war. Schon im Alter von 42 Jahren wurde ihr eine Hüftprothese eingesetzt. Die anfängliche Behandlung mit Sulfur ließ erst das Ekzem wieder aufflackern, um es dann schließlich zu beruhigen. An ihren übrigen Leiden besserte sich nichts, ja die Gelenksbeschwerden wurden eher schlechter. Schließlich begriff ich bei ihr, auch in Zusammenhang mit dem Auftreten destruktiver Krankheiten ihrer Kinder, das Wirken des syphilitischen Miasmas und fand zu Aurum sulfuratum. Das Ekzem meldete sich nicht mehr zurück und ihre noch bestehenden, mehrere Gelenke betreffenden Arthrose-Schmerzen konnten gut beschwichtigt werden.
Gleichfalls eine Dame mittleren Alters, Maria R., hatte neben einem Asthma (im Sommer, mit nächtlicher Verschlimmerung !) ein Ekzem, das Handrücken, Handteller und Ellenbeugen befiel. Die Syphilinie zeigte sich bei ihr nicht nur in den Modalitäten des Asthmas, sondern auch in Gestalt unzureichender Zahnschmelzbildung und familiär durch einen Hirntumor des Bruders und die geistige Behinderung eines Cousins, provoziert durch einen Impfschaden. Sie selbst war von wiederkehrenden Ängsten jeglicher Art geplagt. Seit dreieinhalb Jahren geht die Behandlung mit Arsenum sulfuratum flavum: Kein Asthma, kein Ekzem mehr. Und wenn die Angst wieder aufsteigt, holt sie sich eine weitere Dosis dieser Arznei.
In der letzten Ausgabe der Homöopathie aktuell beschrieb ich auch einen Jungen mit Ekzem und Bronchitis-Neigung. Ihm half Natrium arsenicosum, und auch mit dieser Arznei haben wir durch den Arsen-Anteil ein Medikament der Syphilinie (und der Sykose, für die der Natrium-Anteil steht).
Die Syphilinie und ihre Beteiligung an der Konstitution eines Patienten zu identifizieren, ist nicht immer einfach. Hinweise aus der Familienanamnese können, müssen aber nicht, zur Entscheidung für eine antisyphilitische Arznei führen. Schwere neurologische Erkrankungen wie Morbus Parkinson, Morbus Alzheimer, Multiple Skerose, Apoplex verweisen auf dieses Miasma, aber auch Rheuma und Arthrosen sowie tiefe Depressionen, Suizidalität oder Alkoholismus.
Und dann gibt es da noch die psychischen Blockaden, die in der Therapie der Neurodermitis ebenso wie bei jeder anderen Erkrankung beantwortet und gelöst werden müssen, wenn sie den Heilungsverlauf behindern. Einen derartigen Fall beschrieb ich in der Homöopathie aktuell I/2009, wo die konstitutionell gedachte Arznei zunächst wirkungslos war und Genesung erst eintrat, nachdem ich, einer Ahnung folgend, Ignatia verordnete, obwohl die Patientin psychische Belastungen verneinte, die sie später schließlich doch einräumte.
Die Bilanz meiner Ekzem-Behandlungen fällt für mich erfreulich gut aus, wobei ich kein Hehl daraus mache, dass der Prozess der Mittelfindung nicht immer einfach ist. Im Wissen um die Möglichkeiten, wie ich sie hier angeführt habe, und bei guter Kooperation des Patienten stehen die Chance sehr gut, ein Ekzem und natürlich auch seine Begleiterkrankungen beherrschen zu können mit den Mitteln der Homöopathie. Freilich braucht jede chronische Erkrankung auch eine mehr oder weniger gute Zeit bis zur Überwindung. Und dass es trotzdem den einen oder anderen Ekzemkranken gibt, eine kleine Zahl zwar, bei dem ich trotz braver Mitarbeit keine Lösung fand, ist zwar ein Wermutstropfen, zugleich aber Ansporn, nicht locker zu lassen, unsere Heilmethode weiter zu entwickeln.
Bamberg, im November 2009
Veröffentlicht in der Homöopathie aktuell 2/2010