Die Zahlen verwirren. Im Frühjahr 2020 hatten wir eine Erkrankungswelle klassischer Art. Zur typischen Zeit häuften sich die Infektionsfälle – im Februar und März –, um dann, dem herkömmlichen Muster folgend, wieder abzuklingen. Die Epidemie, beginnend im chinesischen Wuhan, dramatisch zugespitzt in der norditalienischen Region Bergamo-Brescia, hatte ihr eigenes Symptomenbild und wurde, unter Zuhilfenahme eines PCR-Tests, als COVID-19-Erkrankung identifiziert.
Die Welt geriet in Alarm, eine Pandemie wurde ausgerufen, massive Einschränkungen des öffentlichen Lebens verfügt, während die Welle schon wieder am Abebben war. Die Komplikationsrate überstieg das gewohnte Maß solcher Epidemien nicht (ohne die Todesopfer vernachlässigen zu wollen, aber es betraf zum allergrößten Teil hochbetagte, multimorbide Menschen in Pflegeheimen).
Für die Brennpunkte China bzw. Oberitalien konnte man, wenn man wollte, Erklärungen finden: in Wuhan eine extreme Luftverschmutzung, die zu Atemwegskomplikationen prädestinierte, und in Oberitalien ein Faktor, der aufhorchen ließ. Dort gingen der Epidemie zwei große Massenimpfkampagnen voraus, gegen Meningokokken – 35.000 Personen – sowie eine große Influenza-Impfserie. Man weiß, dass es Opfer kostet, wenn man in eine Epidemie hineinimpft; und man darf davon ausgehen, dass das Corona-Virus schon seit dem Herbst 2019 in dieser Region umging.
Das Krankheitsbild hatte allerdings einen eigenen Charakter, durfte vielleicht zu Recht als eine eigene Entität wahrgenommen werden. Dazu zählte die relativ hohe Übertragungsrate, wie der Hotspot Ischgl oder auch die Stadt London zeigten, ferner die typischen Symptome des Geruch- und Geschmacksverlustes und die Ausprägung einer interstitionellen Pneumonie, die an Autoimmunphänomene denken ließen.
Ein Bezug der regionalen Impfstrategie zur Häufung von COVID-Fällen mit Komplikationen konnte bald umfassend beobachtet werden. Etliche Studien zeigen, dass in Ländern mit niedriger Rate an Influenza-Impfungen auch die Zahl der mit Corona assoziierten Todesfälle gering ausfiel, in der Slowakei oder Litauen etwa; dass Deutschland noch im Sommer 2020 in einem niedrigen Mittelfeld lag, während Italien, Spanien, Frankreich und selbst das liberal agierende Schweden eine ansteigende Quote aufwiesen, und am meisten betroffen England erschien, das mit Abstand aber auch die höchste Influenza-Impfquote aufwies. Abgesehen von einigen Ausnahmen wie Südkorea ist die Korrelation nicht zu verkennen.
Den Sommer über wurden die Infektionsschutzmaßnahmen weiter gepflegt, die Isolierung und fatale Vereinzelung der Menschen mit dem Ziel einer Übertragungsvermeidung beibehalten. Gerade die Alten- und Pflegeheime wurden ziemlich rigoros abgeschottet in dem Wissen, dass es sich hier um die vulnerablste Bevölkerungsgruppe handelt.
Und nun, seit dem Herbst 2020, galoppiert die Erkrankung offenbar ziemlich ungehindert durch deren Flure, hinterlässt nicht nur großzügig positive Testergebnisse, sondern, wenn man den Berichten und Zahlen glauben darf, auch spürbar erhöhte Todesfallraten. Wie kann das sein, wenn man doch durchgängig die Kontakte zu den Bewohnern stark reduziert hat, strengste Infektionsschutzmaßnahmen beachtet und die Pflegekräfte sorgfältig gegen COVID-19 getestet hat? Außerhalb gerade dieser abgeschotteten Welt überschreitet die Welle den üblichen Rahmen offenbar auch weiter nicht, wenngleich auch hier Kompli-kationen in überschaubarer Zahl, auch ganz vereinzelt Todesfälle jüngerer Menschen, zu registrieren sind. Es bleibt bei einer Fokussierung auf die multimorbiden Senioren über 82 Jahren.
Ich kann meine Skepsis gegenüber den vermittelten Zahlen nicht leugnen, auch hinsichtlich deren Interpretation, wer nun an oder nur mit Corona zu Schaden kam, darf mich aber nicht darüber hinwegsetzen, was die Kollegen Klinikärzte zu vermelden haben. In unseren Praxen allerdings berichtet niemand von großen Inzidenzwerten.
Die Wissenschaft, so scheint es mir, steht gegenüber diesen Phänomenen mittlerweile mit leeren Händen da, die Politik wirkt hilflos und reagiert mit einem Aktionismus, der aber ganz offensichtlich ohne Wirkung bleibt.
Vor dieser so postulierten zweiten Welle stiegen schon die Inzidenzwerte an, was man aber mit einer massiven Ausweitung der Testmöglichkeiten begründen kann, begonnen nach den Sommerferien, besorgt um die Urlaubsrückkehrer. Alleine die falsch positiven Ergebnisse konnten ausreichen, um definierte Grenzwerte zu sprengen. Dass davon aber nur maximal 10% Symptome aufwiesen – ganz unterschiedlicher Qualität –, somit nur die wenigsten als erkrankt und ansteckungsfähig zu werten sind, nimmt bis heute keiner der Meinungsführer zur Kenntnis.
Es scheint nun so, dass dieser PCR-Test keinerlei Aussage darüber erlaubt, ob wirklich eine als COVID-19 zu identifizierende Erkrankung vorliegt. Vielmehr hat man den Verdacht, dass dieser Test, der offenbar nur wenige DNA-Basensequenzen erfasst, etwas ganz Unspezifisches registriert und meines Erachtens auf alles Mögliche anspricht, was eine Immunreaktion auslösen kann; sei dies ein einfacher Erkältungsschnupfen, oder aber auch eine Impfreaktion, etwa gegen Influenza oder sogar gegen COVID-19.
Nun haben wir im Herbst 2020 natürlich reichlich gegen Influenza geimpft (sicher in den Alten- und Pflegeheimen ziemlich großzügig und ungefragt, in guter Absicht), sowie seit Ende Dezember gegen Corona. Und jetzt fällt auf, dass kaum die Impftrupps durch die Heime gezogen sind, wenige Tage danach ganze Stationen testpositiv werden oder sogar erkranken. Hilflosigkeit erneut: die Teams hätten wohl die geforderten Mindestabstände nicht eingehalten, spekulieren die Verantwortlichen. Und verschärfen wieder den Lockdown: eine nicht enden wollende Spirale.
Hatten wir je Corona? Ist das immer noch Corona? Oder registrieren wir nur die negativen Folgen zwar gut gemeinter, aber auf falscher Annahme gründender Schutzmaßnahmen, die so nicht funktionieren und eine Verwirrung stiften, welche die Welt auf eine noch nicht gesehene Art und Weise auf den Kopf stellt?
Bamberg, im Januar 2021
DR. MED. ERNST TREBIN
ARZT FÜR ALLGEMEINMEDIZIN
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