Die jahrzehntelange Ausübung der homöopathischen Heilmethode erlaubt es mir, Gesetzmäßigkeiten zu formulieren über die Wahl der Arzneimittel und deren Dosierung. Das erinnert ein wenig an die Paragrafenstruktur, die Hahnemann seinen Organon-Ausgaben zugrunde legte. Aber auch, vor allem in den späteren Jahren und gelehrt vom breiten Strom hunderter Patientenschicksale und dem generationenalten Wissen der Homöopathie, fand ich viele Erklärungen über den Ursprung und die Bedeutung von Kranksein sowie Anknüpfungspunkte an andere Medizinsysteme.
So steht bei meinen Patientenkontakten nicht jedesmal erneut die Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen an, sondern werden den Entscheidungen handfeste Strukturen zugrunde gelegt, denn nicht jede Arznei eignet sich für jede Krankheit. So spricht Gerhard Risch in seinem wegweisenden Vorwort zu Yves Labordes Die hereditären chronischen Krankheiten von nur 10 % aller unserer Mittel, die sich für deren Behandlung eignen. Das sind nach der Erkenntnis alter Meister, begonnen bei Hahnemann, vor allem die Arzneien mineralische Herkunft.
Ich selbst bin in dieser Auffassung weiter gegangen und habe die salzartigen Kombinationen auf‘s Schild gehoben, basierend auf Schüßler und Kent, welche darin einen heilenden Einfluss sahen auf den Stoffwechsel grundlegender biochemischer Elemente. Für mich kommt noch hinzu, dass der Wert dieser Salze auch in ihrer Repräsentanz unterschiedlicher Miasmen liegt, deren Zusammenwirken konstitutionellen Leiden den Boden bereitet.
Über lange Zeit schon gebe ich in chronischen Fällen den Natrium- und Kalium-Salzen den Vorrang, welche wichtige physiologische Vorgänge steuern. So haben die Natrium-Salze engen Bezug zur Niere und damit zum Wasserhaushalt und zu Kreislauffunktionen, während die Kalium-Salze u.a. den Muskeltonus beeinflussen und hierdurch für orthopädische Leiden von größter Bedeutung sind.
Man sieht an diesen wenigen Beispielen, dass meine Arbeitsweise nicht beliebige exotische Arzneien heranzieht, sondern sich auf handfeste physiologische Strukturen stützt und auf diese Einfluss nimmt, wenngleich in Form eines energetischen Informationsvorganges anstelle einer stofflichen Substitution.
Ein Weiteres ist die geniale Miasmenlehre, die unschätzbare Informationen und Erkenntnisse bereithält, die ich aber etwas umgestaltet habe, um sie überhaupt für einen effektiven Einsatz handhabbar zu machen.
Und als dritte Ebene finden nun endlich die klassischen Homöopathika ihre Rolle, die als Einzelsubstanzen pflanzlicher, animalischer oder metallischer Herkunft nach deutlichem Simileprinzip Akutsituationen, Kausalitäten oder psychische Faktoren beantworten.
Gerade die Erfahrungen der vergangenen Jahre mit Corona- oder Influenza-Infektionen haben mich eine klarere Handlungsbasis erkennen lassen, die ich unseren Entscheidungen zugrunde legen möchte. Vorausschicken will ich aber, dass unser Wissen über den Einfluss von Viren, Bakterien oder anderen sogenannten Krankheitserregern, aber auch über unser Immunsystem durchaus noch sehr spekulativ und unzureichend sein könnte.
Die Konfrontation mit einem Grippevirus löst eine anfängliche Immunantwort aus mit einer allgemeinen Eingangssymptomatik. Diese erleben wir als unspezifisches Krankheitsgefühl mit Frost, Fieber, Schwäche, Gliederschmerzen oder Halskratzen, vielleicht auch schon mit Niesanfällen einhergehend. Dafür haben wir hervorragende Arzneien wie Aconitum, Belladonna, Bryonia, Eupatorium perfoliatum, Gelsemium oder Nux vomica. Speziell bei Corona hat sich auch noch Conium bewährt und als notwendig erwiesen wegen der meines Erachtens dafür typischen Schwäche, die den Betroffenen oft geradezu die Beine wegzog.
Gerade bei der Corona-Infektion, aber auch bei jeder Influenza oder anderen der vielfachen Grippeviren erlebe ich es, dass diese erste Attacke auf unser Befinden nur eine Trigger-Funktion ausübt, um unsere eigene, genuine Krankheitsdisposition herauszufordern. Denn was nun nachkommt, ist unser persönliches, individuelles Reaktionsmuster, das den weiteren Krankheitsverlauf bestimmt. Es sind unsere Veranlagungen, die entscheiden, ob wir nun einen Katarrh entwickeln mit Fließschnupfen oder verstopfter Nase, Halsschmerzen mit oder ohne Vereiterung der Tonsillen, einen trockenen oder feuchten Husten mit schwerlöslichem Schleim oder ohne, vielleicht sogar eine asthmatische Reaktion, eine tiefere Bronchialinfiltration oder sogar eine Lobärpneumonie.
Sinnvollerweise kommen nun die konstitutionellen Arzneien zum Einsatz, wobei uns gerade diese Krisen oft wertvolle Hinweise auf unsere chronischen Veranlagungen geben. Für diese Aufgabe habe ich ja nun mittlerweile ein stark reduziertes Arsenal an Salzen zusammengestellt, das unter anderem auch diesen individuellen Krankheitsverläufen eine Entsprechung geben soll.
Eine Beteiligung der Nasennebenhöhlen verlangt nach Kalium bichromicum bei einem zähen, fadenziehenden Schleim, durchaus auch als Auswurf aus den Bronchien. Nicht leicht davon zu unterscheiden ist Kalium jodatum, bei dem ein eher wundmachender Fließschnupfen dominiert, aber auch ein trockener Reizhusten mit Besserung im Freien und nach Trinken. Wollen sich die Nebenhöhlen nicht entleeren und wirkt die vereiterte Nebenhöhle wie ein vergiftender Fokus auf den gesamten Organismus, dann ist Thuja angezeigt.
Bei Natrium phosphoricum haben wir auch einen retronasalen Schleim, hier ist der Husten, im Gegensatz zu den Kali-Salzen, die für eine Verschlechterung im Liegen zuständig sind, nur am Tage lästig, wobei kalte Luft in der Regel für eine Verschlimmerung sorgt. Natrium sulfuricum hat schon mehr eine asthmatische Komponente mit Verschlimmerung in feucht-kalter Luft.
Natürlich finden wir zu diesen und manch anderen Mitteln auch über viele weitere Charakteristika, die ihnen zu eigen sind; was ich aber aufzeigen will, ist, dass deren Auswahl begrenzt ist und dass mit Hilfe gewisser Strukturen eine größere Sicherheit in der Verschreibung möglich ist.
Was nun aber bleiben kann, ist ein protrahierter Heilungsverlauf und das, was man bei Corona gerne als Long-COVID geißelt, nämlich ein anhaltender Schwächezustand. Diesen sehen wir allerdings nach jeder Grippe, doch bei Corona wird damit gerne ein Post-Vac-Zustand kaschiert, der wesentlich häufiger zu beobachten ist.
Diese mehr oder weniger schwere Beeinträchtigung verweist darauf, dass zwischen dem Organismus und dem Krankheitserreger eine Patt-Situation entstanden ist und dass sich das Immunsystem schwertut, einen definitiven Sieg zu erringen. Manches kleine Mittel hilft hier rasch, etwa das schon erwähnte Conium, aber auch China, bei dem eine auffällige Schweißbildung im Spiel ist, oder auch Stannum, wenn jedes Reden einen Hustenanfall auslöst. Eine tiefer wirkende Arznei ist hierfür Kalium phosphoricum, das ebenso auf ein schweres Manko verweist wie ein Bedarf an Carcinosinum oder Tuberculinum. In diesen Fällen liegen keine geringen konstitutionellen Defizite vor, und umso wertvoller ist die Hilfe mit diesen Arzneien.
Die Trennung zwischen der anfänglichen viralen Attacke und dem dadurch provozierten körpereigenen, dispositionsbedingten sekundären Krankheitsverlauf wurde mir zunächst in der Corona-Pandemie deutlicher bewusst, in jüngerer Zeit aber vor allem anhand eines sehr konkreten Falles: Herrn L. behandle ich seit vielen Jahren wegen eines sehr hartnäckigen Schnupfens. Ich habe es trotz der meines Erachtens richtigen Strategie nicht geschafft, ihn von diesem chronischen Katarrh vollständig zu befreien. Gelungen ist aber eine zuverlässige Beseitigung vormals aufgetretener Komplikationen wie Halsentzündungen, Nebenhöhlenvereiterungen oder Bronchitiden. Auch vorübergehende Nebenschauplätze konnten beschwichtigt werden wie etwa gelegentliche Gelenksbeschwerden.
Bei unserem letzten Kontakt berichtete er von einem einigen Wochen zuvor aufgetretenen leichten Grippegefühl über 2 bis 3 Tage ohne weitere Komplikationen. Ich wertete diesen raschen Verlauf als Ausdruck dessen, dass seine Bereitschaft zu bakteriellen Superinfektionen weitgehend unter Kontrolle, sein Immunsystem in dieser Hinsicht nun ziemlich stabil war, zumindest unter dem Schutz einer vor vier Monate verabreichten Gabe von Natrium phosphoricum C1000. Nun aber, nach Abklingen dieser Gabe, sei sein Schnupfen wieder stärker geworden, jetzt aber ohne die typischen Grippesymptome. Das bestätigt mir meine oben genannte These, dass die Virenabwehr und die dadurch ausgelöste Krise zweierlei verschiedene Dinge sind.
Mit dieser Zusammenstellung wollte ich wieder einmal aufzeigen, dass Homöopathie kein Hokuspokus ist, sondern ein redliches Handwerk, das einem Anspruch an eine streng wissenschaftliche Ausübung nichts schuldig bleibt.
Genosse Karl, Ihr Kämpfer vom Münsteraner Kreis, verirrte Bremer Homöopathie-Gegner: habt Ihr nicht schon genug Eure Beschränktheit unter Beweis stellen dürfen?
Bamberg, im Februar 2024