Bei Warzen handelt es sich nicht um eine Befindlichkeitsstörung, deren Behebung man vielleicht alleine der Zuwendung des Homöopathen zuschreiben mag, sondern, wie bei anderen Hautmanifestationen auch, um sichtbare, objektive Erscheinungen, die uns über die Qualität unserer Arbeit nicht im Unklaren lassen.
Unsere Repertorien weisen dafür etwa 100 Arzneien auf, darunter alle bedeutsamen Polychreste, doch sehe ich in diesem Symptom überwiegend einen Ausdruck der Sykose. Und deren Arzneien sind in meinem abgespeckten Miasmensystem nur ihre Leitsterne Medorrhinum und Thuja sowie alle Natrium-Salze, die ich als die Hauptrepräsentanten der Sykose betrachte und auch so handhabe.
Damit gelang es bisher bei einer guten Zahl von Patienten, Warzen aller Art zu vertreiben, auch spitze Kondylome im Genital- oder Analbereich. Drei Fälle haben sich mir aber besonders eingeprägt, weil ihre Behandlung viel Geduld erforderte, dann jedoch, mit Erreichen des passenden Mittels, das ersehnte Ergebnis einfuhr, mehr oder weniger prompt. Sabine H. war seit Geburt sykotisch geprägt, was ich aber nicht von Anfang an verstanden habe. Geboren im Herbst 1994 kam sie mit 9 Monaten in meine Behandlung. Ein viertel Jahr zuvor musste sie stationär einer Antibiotika-Therapie unterzogen werden wegen einer Pyelonephritis. Unabhängig davon neigte sie zu Windeldermatitis, häufigen Diarrhöen, Kopfschweiß beim Einschlafen, juckenden Exanthemen und nächtlichen Unruhezuständen.
Silicea und Sulfur waren damals die Arzneien, die ich in der Anfangsphase unserer Zusammenarbeit mehrmals einsetzte – durchaus mit Erfolg, solange ich nicht höher als C200 ging. Ab Januar 2002 erhoffte sie sich von mir Hilfe wegen ihrer Handtellerwarzen, zunächst nur vereinzelt vorhanden. Auf Thuja C200, besser noch C1000, verschwanden die kleineren Wucherungen immer mal für einige Zeit, aber nachhaltig war das Ergebnis nicht, ebensowenig wie eine mechanische Entfernung.
Über 5 Jahre gingen meine Versuche. Zwischendurch traten einige Symptome auf, von denen ich mir Aufschluss für eine effektivere Arzneimittelwahl erwartete. Heuschnupfen, eine auffallende Behaarung, Schweißfüße mit Geruch, Abschilfern der Fingerspitzen, Kopfschmerzen, auch eine flüchtige, vermutlich auf Allergie beruhende Atemnot, meist nach Sport, waren zu beobachten und veranlassten mich zum Einsatz verschiedenster Arzneien, die sämtlich hier aufzuführen zu sehr verwirren würde.
Die Warzen vermehrten sich, bis zuletzt an die 20 Stück ihre Hand verunstalteten. Neben Thuja kamen alle möglichen Natrium-Salze zum Einsatz, aber auch andere Kombinationen sowie aus verzweifelten Versuchen, um noch etwas Land zu gewinnen, Nosoden wie etwa Medorrhinum. Erst im Juni 2007, nach 42 Mittelgaben (!), wurde mir bewusst – zuvor immer im Banne der unter Leidensdruck vorgetragenen Belästigung –, dass über 90% der Warzen die rechte Hand befallen hatten. Damit kam ich zu einer Arznei, die ich tatsächlich bis dahin vernachlässigt hatte: Natrium arsenicosum!
Erste Dosis Natrium arsenicosum C200: die Warzen wurden kleiner. Zweite Gabe nach 7 Wochen: fast restlos verschwunden bis auf 2 kleine. Dritte Gabe, weitere 7 Wochen später: alle Warzen verschwunden, kein Asthma mehr.
Noch aber war die Veranlagung nicht völlig getilgt, denn im Juni 2008 wurden wieder 2 Fußwarzen gemeldet, und diese ließen sich nicht mehr so schnell vertreiben. 5 weitere Gaben Natrium arsenicosum LMK sowie interponiert Thuja LMK 2 mal, Medorrhinum C200 1 mal und Syphilinum C200 1 mal ließen erst ein Jahr später die beiden resistenten Warzen auch noch zum Verschwinden bringen. Und damit waren Warzen und Asthma bereinigt, wie eine Nachbefragung später aus Anlass einer Bagatell-Infektion erfahren ließ.
Der zweite Fall verlief dagegen schon etwas eleganter, wenngleich auch mit hohem Zeitaufwand, aber hier kamen neuere Erkenntnisse in meiner Arbeitsweise zur Geltung. Helge K., geboren im Dezember 2006, hatte außer einem Stuhlverhalt im Alter von 2½ Jahren, der sich nach Natrium phosphoricum C200 und Thuja C200 prompt löste, bisher keinen besonderen Behandlungsbedarf bei mir, war jedoch im Alter von 9 Monaten wegen eine Zyste an den Gallenwegen operiert worden; Zysten gelten als Ausdruck der Sykose, sagte man mir, angeborene Fehlbildung sind aber auch der Syphilinie zuzuschreiben.
Seine Mutter war schon mit Warzen belastet gewesen und nun kam auch er, im Alter von 10 Jahren, wegen dicker Warzen an beiden Händen erneut in meine Behandlung. Auch jetzt setzte ich wieder auf Natrium-Salze, aber Natrium phosphoricum blieb diesmal ohne Nutzen. Weitere Hinweise auf seine Konstitution fand ich in seinem nächtlichen Kopfschweiß, in Übelkeit bei Busfahrten, vor allem aber in der Beobachtung einer ausgedehnten Armschwellung nach einer Impfung, was ein deutlicher Hinweis auf Silicea ist.
Aber auch Natrium silicicum half nicht weiter, ebensowenig wie Natrium sulfuricum oder Natrium arsenicosum. Da ich seinen Vater vor Jahren von einer Neurodermitis mit einem Quecksilbersalz befreien konnte, sah ich hier das Walten auch der Syphilinie in dieser Familie bestätigt und versuchte mich schließlich mit Mercurius chloratus natronatus C200 – ohne Ergebnis.
Dass nun, nach 1¼ Jahren, einem jungen Patienten die Geduld ausgeht, verwundert nicht; er wollte gar nicht mehr in die Praxis kommen. Ich konnte ihn mit Mühe zum Weitermachen motivieren und hatte eigentlich nur mehr ein letztes Natrium-Salz übrig: Aurum muriaticum natronatum. Nach der ersten Gabe in C200 begannen die Warzen binnen 3 Wochen abzufallen; 6 Wochen später waren die Hände völlig frei davon.
In diesem Salz kann man ja die Verknüpfung von Sykose und Syphilinie sehen, ein Denken, auf das ich, wie schon öfter ausgeführt, die Rechtfertigung für derartige kombinierte Arzneien stütze [1]. Wie im ersten Fallbeispiel blieben ihm aber noch zwei kleine Warzen übrig, eine am Nasenflügel und eine Dornwarze am Fuß. Und weitere Gaben von Aur-m-n. C200 führten nun nicht mehr weiter, auch Medorrhinum nicht und auch nicht Thuja. Da ich in den letzten Jahren mir angewöhnt hatte, in jedem chronischen Falle auch ein Kalium-Salz in Stellung zu bringen, was ich schon in manchem Aufsatz auch begründet habe [2], zögerte ich nun nicht länger und entschied in seinem Falle für Kalium silicicum C200. 6 Wochen später war die Gesichtswarze verschwunden und nach einer weiteren Gabe verzog sich auch die Dornwarze.
Ich spreche bei diesem Vorgehen von einer dualen Therapie, die für jeden chronischen Fall in der Regel ein Natrium- und ein Kalium-Salz vorsieht, und begründe diese eigenartige, aber enorm bewährte Arbeitsstruktur damit, dass ich auf diese Weise sowohl der Heredität als auch der biografischen Prägung gerecht werden kann, was beides unseren Krankheitsveranlagungen zugrunde zu liegen pflegt [3].
Dieses Vorgehen ist komplexer, erwies sich mir aber als deutlich effektiver und nachhaltiger gegenüber der üblichen Polychrest-Homöopathie mit mehrfachem Mittelwechsel – ich habe mich erst in der letzten ca. 5 Jahren zu dieser so beschriebenen Behandlungsstruktur vorgearbeitet. Ein erheblicher Vorteil dabei ist, dass ich damit verschiedene Grundlinien in der chronischen Behandlung verankern kann: in diesem Fall neben Kalium- und Natrium- Elementen auch Aurum und schließlich das Silicea, dessen Einsatz angesichts der Impfreaktion nicht unberücksichtigt bleiben durfte. Die so erarbeiteten Salze sind schließlich, zumindest für lange Zeit, das Grundgerüst in der Therapie des jeweiligen Patienten.
Bei gleicher Vorgehensweise im ersten Falle wäre ich wahrscheinlich auch zügiger zu einem Ende der Behandlung gekommen. Aber mit welchem Kali-Salz? Die Antwort gab vor kurzem die Erkrankung der mittlerweile jungen Frau an einer infektiösen Mononukleose, die für mich ein klarer Hinweis auf das karzinogene Miasma ist (vor allem wenn sie eine anhaltende Schwäche nach sich zieht). Die akute Erkrankung inclusive einer – rezidivierenden – Plaut- Vincentschen Angina sprach sehr schön auf Carcinosinum und Kalium phosphoricum an.
An dieser Geschichte kann man zeigen, dass die Homöopathie ihre besten Lösungen erlaubt, wenn man die Gelegenheit hat, den Patienten über lange Strecken durch all seine Krisen zu begleiten.
Viel Geduld aber erforderte Fall Nr. 3. Hans W. ärgerte sich über seinen Wald von spitzen Kondylomen am After. Bei anderen Patienten verschwanden diese rasch etwa nach Natrium phosphoricum. Auch hier würde es zu sehr verwirren, wenn ich alle Anläufe anführen würde, zu seinem Sykose-Mittel erkor ich aber schließlich Mercurius chloratus natronatus. Wegweisend war ein Tinnitus abends im Bett, ein Speichelfluss im Schlaf, ein auffallendes Schwitzen der Beine nachts im Bett, Niesen im Sonnenlicht, vor allem aber als untrüglicher Hinweis eine Bursitis olecrani („Ellenbogen, Schwellung, heiß und rot“: MERC. als einziges Mittel, von mir nur mehr als Merc-chl-n. im Gebrauch).
Aber den Kondylomen fiel es nicht im Traum ein, sich zu bewegen. Um meinen Patienten nicht im Stich zu lassen, ließ ich mich sogar dazu hinreißen, Podophyllin-Tinktur anzuwenden, was aber die Kondylome ebenso wenig beeindruckte. Da aber noch andere Symptome zu Tage traten, setzte ich darauf, dass, obiger Logik und Erfahrung folgend, von einem ergänzenden Kalium-Salz Hilfe zu erwarten sei.
Kalium sulfuricum bot sich an, denn für eine Schwefel-Komponente sprachen ein wie eine Spannung sich anfühlender Fußsohlenschmerz morgens beim Aufstehen aus dem Bett (sulf.) sowie schmerzhafte Unterschenkel-Varizen (PULS., welches ich im chronischen Fall immer als Sulfur verwerte). Diese Rezeptur aus Merc-chl-n. und Kali-s. verabreichte ich in abwechselnden Gaben in C200 und später C50.000K über 1½ Jahre, immer wieder ihre Indikation hinterfragend, bis sich endlich die Kondylome verkleinerten, um schließlich gänzlich zu verschwinden.
Das war eine ungemeine lange Behandlungsdauer. Es darf aber darüber spekuliert werden, dass sich, bis das Ergebnis an der Oberfläche manifest wurde, möglicherweise viel anderes an pathologischer Veranlagung, bislang noch gar nicht wahrgenommen, in der Tiefe seiner Existenz zurecht gerückt haben mag.
Dass die Mittel der Sykose den Durchbruch bei der Warzenbehandlung in diesen Fällen nicht alleine geschafft haben (manchmal tut es ja auch eine einzige Dosis Thuja), sondern erst noch die zweite Linie zum Einsatz kommen musste, mag man damit erklären, dass diese zur Lösung gewisser Blockaden notwendig war.
Wenn man nun auch noch bedenkt, wie viele Anläufe genommen werden mussten, bis das Ziel schließlich erst mit der richtigen Wahl oder nach einer langen Therapiestrecke erreicht wurde, als die Patienten schon längst die Hoffnung auf einen Erfolg aufgegeben hatten, dann kann man nur lachen über den der Homöopathie herablassend zugestandenen Placeboeffekt!
[1] Trebin E. Mehrere Miasmen am Werk? (Link)
[2] Trebin E. Konstitution und Prägung. Vortrag auf dem ICE 16:
http://www.wisshom.de/dokumente/upload/ee121_trebin_ice_16_ef_neu.pdf (Link)
[3] Trebin E. Kann dieser Weg noch richtig sein – Reflexionen über die Arbeit mit
kombinierten Arzneien. (Noch nicht veröffentlicht)