Drei Fälle möchte ich hierzu präsentieren, die mir besonders wichtig erscheinen. Zum Teil habe ich schon darüber berichtet, ich halte es aber für sinnvoll, diese Beobachtungen noch einmal zusammenzufassen.
Fall 1, Akne pustulosa
Es war eine meiner frühen Erfahrungen als Anfänger in der Homöopathie: eine Krankenschwester mittleren Altes aus der benachbarten Klinik bat mich um Rat und Hilfe wegen ihrer schweren Furunkulose. Sie hatte eine ausgeprägte pustulöse Akne im Gesicht, vor allem im Kinnbereich. Umfangreiche Maßnahmen ihrer Hautärzte konnten ihr nicht wirklich helfen. Aufschlussreich war ihre Anamnese: sie war das letzte Kind von 5 Geschwistern. Ihr Vater starb um den Zeitpunkt ihrer Geburt an Tuberkulose. So war anzunehmen, dass er zum Zeitpunkt ihrer Zeugung schon an der Schwindsucht erkrankt war. Ihre älteren Geschwister waren nicht betroffen von dieser Hautkrankheit.
Die Vermutung lag also nahe, dass der Vater ihr das Miasma der Tuberkulinie vererbt hat und dies die Grundlage ihrer schweren Hauterkrankung wurde. Tatsächlich brachte eine Gabe Tuberkulinum C200 eine prompte und nachhaltige Heilung. Später wurde noch eine Gabe Phosphorus C200 erforderlich, weil sie leichte Probleme am Herzen hatte in Linksseitenlage; ich glaube, es waren Herzrhythmusstörungen, allerdings liegt mir die Krankenakte nicht mehr vor.
Natürlich entzückt so ein prompter Erfolg einen Neuling der Homöopathie, mich aber überzeugte das Ergebnis auch nachhaltig vom Wert der Miasmenlehre, insbesondere der hereditären chronischen Miasmen. Ich möchte heute behaupten, dass die Tuberkulinie zu einer der Grundlinien in der Behandlung der Akne und der Furunkulose zählt. Ergänzend bedarf es sicher auch der Mineralien, die diesem Miasma angehören, vor allem also Phosphorus und Silicea bzw. deren Salze.
Fall 2, Akne conglobata
Aber auch die Syphilinie scheint mir von Bedeutung bei diesem Thema zu sein. Ich denke dabei an die von mir diesem Miasma zugerechneten Halogene, denn bekanntlich gibt es ja die Chlor-, Jod- und Brom-Akne als toxische Reaktion. Ein zum Zeitpunkt der Anamnese 20 Jahre alter junger Mann, vom Down-Syndrom geprägt, wurde mir überantwortet wegen einer massiven Furunkulose. Dicht an dicht war sein Rücken übersät von Eiterpusteln, eine Form von Akne conglobata.
Damals hatte ich schon den großen Wert von Kalium jodatum entdeckt, das zwar von William Boericke als bedeutendes Antisyphilitikum gewürdigt wurde, aber mir in der Gegenwartshomöopathie nicht recht verankert zu sein schien. Hyperthyreose, Herzrhythmusstörungen, neuralgische Schmerzen konnte ich nunmehr mit dieser Arznei erfreulich gut behandeln, jetzt entdeckte ich auch seinen Wert bei eitrig-pustulösen Prozessen. Und da mir dieser junge Mann angesichts seines genetischen Defekts gut begründet vom syphilitischen Miasma betroffen schien, entschloss ich mich gerne für Kalium jodatum.
Insgesamt zog sich die Behandlung mit dieser Arznei, gegeben in etlichen Gaben C200 und C50.000K, über drei Jahre hin, bis die Kontakte in der Corona-Zeit abbrachen; er und seine Familie hatten nämlich große Furcht vor einer Ansteckung. Bis dahin waren aber alle Eiterherde zur Ruhe gekommen, lediglich die keloidartigen Narben blieben bestehen, und diese werden sich vermutlich allenfalls in langsamer Tendenz verkleinern.
Fall 3, Akne inversa
Die heute 53-jährige Frau A.G. wurde mir vor drei Jahren anvertraut zur Behandlung ihrer schweren Akne inversa – oder auch Hidradenitis suppurativa genannt. In den Achselhöhlen sowie im Genitalbereich hatte sie dicke Furunkelnester und hartnäckige Fisteln, die bisher jeder Behandlung widerstanden. An weiteren Beschwerden hörte ich von einem pollenallergischen Asthma, schlimmer in feuchtkalter Luft, einer chronischen Anämie, von häufigen Tonsillitiden in der Kindheit und einer Arthrose im rechten Knie, ferner von einer inkarzerierten Nabelhernie.
Sie war in einem erbarmungswürdigen Zustand, und die linke Achsel wies ein einziges handflächengroßes Ulcus auf mit einem unterminierten Rand. Wegen dieses klassischen Symptoms gab ich ihr Calcium sulfuricum C200, was das Spezifikum für diese Art von Eiterung und Ulzeration ist und was ihr auch ein gutes Stück Erleichterung brachte. So verringerten sich im Zuge von 4 Gaben die Schmerzen, die Exsudation ließ nach, offene Stellen heilten ein Stück weit ab und Neubildungen von Abszessen hielten sich zurück. (Darüber durfte ich erst vor kurzem in der Homöopathie-Zeitschrift berichten.)
Es stellten sich darunter aber auch neue Symptome ein, so ein Kniegelenkserguss, der mit Medorrhinum seinen Frieden fand (= gonorrhoische Monarthritis) und eine Ischialgie, die mir Anlass gab zur Verabreichung von Kalium jodatum, dem großen Mittel für neuralgische Schmerzen. Auch tauchten nach einiger Zeit der Ruhe wieder neue Abszesse auf.
Somit schien mir der Wert von Calcium sulfuricum aufgebraucht zu sein und ich stellte die Therapie auf eine neue Grundlage. Ein Teil des Behandlungsweges ist seither Natrium sulfuricum, der andere Kalium bichromicum. Die Indikation für etztere Arznei ergab sich folgendermaßen: ein neu aufgetretener Abszess über der rechten Leiste, aufgegangen unter Myrrhinil intest D6, hinterließ ein Ulcus mit glattem Rand, das aussah, wie wenn man für die Weihnachtsbäckerei Formen aus dem ausgerollten Teig aussticht. Ulcus mit ausgestanzten Kanten (Boericke) ist eine Kyenote von Kalium bichromicum!
Seither bleiben wir auf dieser Linie und meiner Patientin geht es zunehmend besser. Das Achselulcus wächst langsam zu, neue Abszesse treten kaum noch auf, die Gelenke sind ruhig und das allgemeine Befinden, das vordem erheblich eingeschränkt war, ist ganz gut. Ergänzend zum dualen Weg aus Kalium bichromicum und Natrium sulfuricum kommen manchmal noch Psorinum und Thuja zum Einsatz, Letzteres etwa dann, wenn die Sekretion aus den noch vorhandenen Fisteln ins Stocken gerät. Natrium sulfuricum, das auch engen Bezug zur Verdauungsfunktion hat, sorgt als zweite Behandlungslinie für eine bessere Nahrungsverträglichkeit, d.h. keine Diarrhoe mehr mit Druck und Gas nach Milch oder anderen Speisen. Und Kalium bichromicum hat erfolgreich das Kalium jodatum ersetzt, dem gegenüber es manchmal schwer zu differenzieren ist. Auch von einem pollenallergischen Asthma war heuer keine Rede mehr.
Nicht nur wegen dieses Falles wird es sich lohnen, die Erfolge mit Kali-bi. umfassender zu beschreiben. Diese Arznei, von JH Clarke als eines der wichtigsten Mitglieder unserer Materia medica bezeichnet, hat meiner Arbeit noch einmal wesentliche Impulse gegeben und Möglichkeiten eröffnet, die so noch nicht bekannt sind.
Bamberg, im September 2023