...was bestimmt unsere Gesundheit bzw. unser Kranksein?
Eine müßige Frage, und die Gegensätzlichkeit verliert an Bedeutung, wenn man diese Geschichte vernimmt:
Eine Patientin hatte ein sogenanntes Grenzerlebnis. Zwei operative Eingriffe machten Narkosen nötig, die sie jedesmal in einen ungewöhnlichen Zustand versetzten. Sie vermeinte, ihren Körper zu verlassen und begegnete einer Lichtgestalt. Beim ersten Mal zeigte diese ihr den Kosmos und wie einfach die Welt geordnet sei. In der zweiten Narkose traf sie wieder auf diese Gestalt, die ihr nun vor Augen führte, dass alle Materie in diesem Kosmos beseelt sei, nicht nur Mensch und Tier, sondern auch die Pflanzen, ja sogar Steine. Beglückt über diese Begegnung und diese Erfahrungen, wollte sie gar nicht mehr in das Leben, in ihren Leib zurückkehren. Jedoch die Lichtgestalt schnippte mit der Hand, ein Funke sprang in den kleinen Finger ihrer linken Hand und sie erwachte aus der Narkose.
Ein weiteres Beispiel aus meinem ärztlichen Erfahrungsbereich, wie eng Geist und Materie verknüpft sind, geben die epidemischen Krankheiten ab. Von den klassischen Kinderkrankheiten, die in der heutigen Medizin nicht mehr gerne gesehen werden, als gefährlich betrachtet und durch Impfungen vermieden, ja sogar ausgerottet werden sollen, von ihnen weiß man seit alters her, dass sie die geistige Reifung eines Kindes voranbringen können. Andererseits gibt es große Epidemien infektiöser Krankheiten, die in Krisensituationen einer Volksgemeinschaft ausbrechen können. So hat nach dem Untergang der kommunistischen Regime im Osten die Diphtherie in zehntausenden von Krankheitsfällen um sich gegriffen, allen Befürchtungen zum Trotz sich aber nicht auf die westlichen Länder ausgebreitet. Mit Sicherheit waren alle Erkrankten gegen die Diphtherie geimpft – die kommunistischen Regierungen handelten in dieser Hinsicht sehr konsequent -, ausschlaggebend für die epidemische Ausbreitung muss wohl die Umbruchsituation gewesen sein. Wie Gerhard Buchwald in akribischer Arbeit nachwies, waren auch in unseren Regionen politische Krisensituationen von großen Epidemien gefolgt, auch bei uns gab es Diphtherie-, aber auch schwere Polio- und Grippewellen mit einer großen Zahl an Todesopfern nach den beiden Weltkriegen. Gewiss mag die wirtschaftliche Notlage mit all ihren Folgen wie Armut, Hunger, schlechte Wohnsituation und desolate Hygiene den Krankheiten Vorschub geleistet haben, ich sehe aber auch einen gewichtigen Grund im Zusammenbruch geistiger Werte. Hier wie dort gingen ideologisch gefestigte Wertsysteme zu Bruch, die fast den Status religiöser Kräfte hatten: Kaiserreich, Nationalsozialismus und Kommunismus. Den Menschen wurde der Boden ihrer geistig-moralischen Grundlagen entzogen; was bisher heilig war, galt plötzlich nicht mehr.
Solche Zusammenhänge sind mysteriös, nicht mit technischen Untersuchungen zu fassen und belegen einmal mehr, dass unsere materialistische Medizin nur Bruchstücke unserer Existenz fassen kann und vor allem eine Frage überhaupt nicht beantwortet, nämlich, was denn das Leben überhaupt sei.
Wir haben eine mit substantiellen Medikamenten operierende effektive Medizin, deren Angebot wir wohl zu schätzen wissen. Schmerz und Entzündung lindernde Arzneien, Cortison, Antibiotika, Narkotika und Tranquillantien, sie helfen uns über akute Krisen hinweg und lindern schweres Leiden. Nur ist ihre Wirkung nicht von Dauer. Die Infektanfälligkeit bleibt bestehen, Rheuma und Asthma werden nicht geheilt und die Migraine kehrt wieder. Es ist wohl so, dass wirkliche Heilung tiefer gründen, an das geistige Prinzip rühren muss. Nicht nur, dass vielerlei Leiden erst dann eine Chance der Bewältigung erfährt, wenn die Krankheit als Lebenskrise verstanden wurde und Bewusstsein wie Lebensführung einer Überprüfung und Änderung unterzogen wurden, auch die Möglichkeiten nachhaltiger therapeutischer Einflussnahmen kommen aus einem anderen, nicht-materiellen, sondern geistartig-energetischen Fundus. Derartige Formulierungen sind angreiffbar und fallen mir nicht leicht, der ich zwar offen sein möchte für alles, was denkbar ist, aber einer substanzlosen esoterischen Schwärmerei hinreichend skeptisch gegenüberstehe.
Betrachten wir aber die respektablen alternativen Therapieformen, so finden meine Gedanken nur ihre Bestätigung. So wie wir alle wissen, dass wir aus einer dumpfen geistig-seelisch-körperlichen Verfassung manchmal durch ein einfaches Erlebnis herausgerissen werden können, ein bestimmtes Licht, eine uns ansprechende Melodie oder einen harmonischen Klang, eine angenehme Begegnung oder ein gutes Gespräch, so erreicht uns auch eine gute Therapie wie etwas, das eine günstige Resonanz in uns auslöst.
Die traditionelle chinesische Medizin gehört hierher, die vor allem in Gestalt der Akupunktur Energieblockaden und Verspannungen auflöst, die hierzu verwandte Shiatzu-Massage oder andere Reflexzonen-Massagen ebenso. Die Feldenkrais-Methode, Rolfing, Osteopathie und ähnliche Therapieformen wirken über die Haltung des Kranken auf seinen geistigen und somit auf seinen Gesamtzustand ein. Kinesiologie sei erwähnt, auch Reiki und die Kraft der Edelsteine, von deren Effekten mir immer wieder mal eindrucksvoll berichtet wird. Schließlich setzen Psychotherapie, Musik- und Kunsttherapie ganz offensichtlich auf die Beeinflussung unserer geistigen Verfassung.
Und last but not least – schließlich ist dies mein Metier, und das nicht ohne guten Grund – bietet uns die klassische Homöopathie in reinster Form die Heilung über ein geistiges Prinzip an. Wir können bestimmte Substanzen grammweise einnehmen, Kochsalz etwa, Kalzium, Magnesium oder Kieselsäure, und erfahren dadurch milde therapeutische Effekte mit mäßigem Nachklang. Verwenden wir dieselben Mineralien allerdings in hochpotenzierter Form, quasi in unendlicher Verdünnung, substanzfrei und nur als Übermittler einer bestimmten Information, so können wir damit, wenn wir die richtige Wahl getroffen und das dem Zustand des Patienten angemessene Medikament gefunden haben, ganz bedeutende heilende Wirkungen erzielen.
Schüssler führte Mitte des 19. Jahrhunderts einige mineralische Medikamente in die Homöopathie ein, die bis dahin noch nicht im Gebrauch waren, wichtige Grundsubstanzen des Zellstoffwechsels, deren Verwertung er im Falle von Krankheiten als gestört postulierte. Aber nicht in materieller Form bot er sie an, sondern in potenzierter, damit sie als Regulativ wirken sollten. (Und gerade dieser Schatz an Arzneien, ursprünglich nur gedacht, die ganze, komplizierte Methode zu vereinfachen, bietet uns heute, nach meinen Erfahrungen der letzten Jahre, die Chance, das Potential der Homöopathie ein entscheidendes Stück auszuweiten und bisher Unerreichtes doch noch erfolgreich behandeln zu können.)
Und schließlich hat unser, der Homöopathen, Stammvater Samuel Hahnemann schon vor zweihundert Jahren formuliert, dass der Ursprung allen, vor allem chronischen Krankseins in der Störung einer – unsichtbaren - Lebenskraft liege und dass jede Heilung nur geistartiger Natur sein könne...
Bamberg, im Mai 2002
Veröffentlicht in der Homöopathie aktuell 2/2013