Ein junger Mann von 17 Jahren erkrankt an einem Donnerstag im April 2008 an akuten Halsschmerzen. Ihn selbst habe ich noch nie behandelt, wohl aber einige Mitglieder seiner Familie. Da es ihm recht schlecht geht, werde ich um einen Hausbesuch gebeten und erfahre zur Vorgeschichte nur, dass er in der letzten Zeit häufig erkältet sei. Ich finde an ihm kleine harte Lymphknoten am äußeren Hals und sehe weißlich belegte Gaumenmandeln. Andere verwertbare Informationen sind nicht zu gewinnen. Aus dem Wenigen, das ich nun weiß, lässt sich Mercurius solubilis repertorisieren, und diese Arznei erhält er in C30. Am nächsten Morgen werde ich informiert, dass sich die Beschwerden verschlimmert hätten, die Nacht sei schlecht gewesen. Da sich die Symptomatik nicht weiter präzisiert hat, stehe ich mit relativ leeren Händen da und versuche mein Glück mit Syphilinum C200, einer Nosode, die öfter bahnbrechend wirkt bei eitrigen Mandeln. Da ich meiner Sache aber nicht sicher bin, händige ich der Familie noch ein Rezept über das Antibiotikum Amoxicillin aus, da es einerseits dem Jungen nicht gut geht und andererseits ich ihn auch nicht unnötig leiden lassen möchte. Am Abend, er hat nun schon drei Tabletten des Antibiotikums genommen, mache ich noch einen Hausbesuch, um festzustellen zu müssen, dass es ihm eher noch schlechter geht. Im Allgemeinen müsste ein Antibiotikum jetzt schon eine spürbare Erleichterung gebracht haben, weshalb ich von einer Resistenz ausgehe und überwechsle zur Verordnung von Augmentan, einer ähnlichen Substanz, die aber durch einen Zusatzstoff weit effektiver wirkt und mich bei Resistenzbildungen im Falle von Mandelentzündungen bisher nie im Stich gelassen hat. Offenbar hat auch Syphilinum nicht gewirkt, denn innerhalb der Beobachtungszeit sollte auch hier eine klare Tendenz zur Besserung erkennbar sein. Also versuche ich mein Glück parallel zur Neuverordnung des Antibiotikums mit Silicea C30.
Am nächsten Morgen, es ist Samstag, muss ich hören, dass sich auch weiterhin keine Besserung eingestellt hat. Erneut sehe ich nach dem jungen Mann und veranlasse wegen der Resistenz gegen alle therapeutischen Maßnahmen, den weiterhin dicken Lymphknoten und den weiß belegten Tonsillen eine Blutuntersuchung. Es könnte ja eine systemische Krankheit, z. B. eine Leukämie, hinter dem Geschehen stecken.
Tatsächlich aber bestätigt sich meine zweite Vermutung, nämlich der Verdacht auf eine akute infektiöse Mononukleose, auch Pfeiffersches Drüsenfieber genannt. Es handelt sich hierbei um eine Erkrankung mit dem Epstein-Barr-Virus und erklärt uns nun, warum ein Antibiotikum unwirksam sein muss, vielmehr sogar Schaden verursachen kann. Also wird es abgesetzt. Der Junge wartet aber auf Hilfe, die Schulmedizin bietet uns nichts mehr, also muss ich homöopathisch weitermachen. Er erhält von mir nun Carcinosinum C200 aus der Beobachtung heraus, dass diese Erkrankung eine auffallende Nähe zum karzinogenen Miasma aufweist.
Auch dies bringt, wie ich am Abend höre, keine Besserung und auch mein Hausbesuch am nächsten Morgen, es ist nun Sonntag, zeigt einen unveränderten Befund. Immer wenn eine Erkrankung allen Bemühungen so hartnäckig widerstrebt, fragt man auch gerne nach Stressfaktoren, denn hier hat sich oft eine Ursache des Problems gefunden. Ich höre aber nur, dass mein Patient Kummer in der Schule hat, und versuche es also mit Ignatia C200. In meiner Praxis studiere ich danach gründlich die homöopathischen Lehrbücher und Repertorien. Ein kleines Detail, nämlich die Schmerzausstrahlung zu den Ohren, lenkt meine Aufmerksamkeit zu Mercurius cyanatus, in dem ich nun ein geeignetes Mittel für diese schwere Tonsillitis sehe.
Mercurius cyanatus scheint mir deshalb die richtige Arznei und wird auch von mir mit Überzeugung nun ausgewählt, weil es die wichtigste Arznei bei Diphtherie ist. Und das Bild, das der Junge mit seinen ausgedehnten weißlichen Belägen bietet, ähnelt sehr einer Diphtherie. Ich versäume es auch nicht, das Labor um einen Diphtherie-Antikörper-Test zu bitten, der allerdings negativ ausfällt.
Leider habe ich diese Arznei in meiner Praxis nicht vorrätig, finde aber glücklicherweise einen Kollegen, der mir damit aushelfen kann. Die Familie wird also beauftragt, die Arznei sofort abzuholen.
Nun gibt es noch mal einen kleinen Krach in der Familie, denn der Vater, der getrennt von Frau und Kindern lebt, weigert sich, diese Botenfahrt zu machen und empört sich maßlos darüber, dass sein kranker Sohn “nur mit Globuli” behandelt wird. Die vorausgegangenen Bemühungen, mit Antibiotika eine Wendung zum Besseren zu erreichen, ebenso wie die Diagnostik, die uns auf einen viralen Infekt verweist und an diesem Punkt eine Hilflosigkeit der Schulmedizin offenbart, ignoriert er. Trotzdem erhält der Junge noch am gleichen Tag Mercurius cyanatus C200. Am darauffolgenden Montag erfahre ich telefonisch von einer gewissen Besserung, am Dienstag sehe ich mir den Jungen noch mal persönlich an, es geht ihm wesentlich besser, die Tonsillen sind jetzt fast unauffällig, die Beläge verschwunden und die cervikalen Lymphknotenschwellungen deutlich rückläufig.
Die Lage hat sich jetzt sehr schnell völlig entspannt und eine Woche später geht unser Patient wieder zur Schule, wenngleich er noch eine kleine Mattigkeit zu beklagen hat. Eine weitere Woche später fühlt er sich wieder völlig wohlauf, krankhafte Befunde sind nicht mehr festzustellen und eine abschließende Laborkontrolle zeigt all die Werte, die zu dieser akuten infektiösen Mononukleose passen.
Ein kleiner Hinweis nebenbei: Während ich in meiner Praxis ein akutes Pfeiffersches Drüsenfieber nur selten sehe, begegnen uns häufig Patienten, die an den chronischen Folgen dieser Erkrankung zu leiden scheinen, nämlich einer ausgeprägten, über Monate fortdauernden Mattigkeit. Hier ist Mercurius cyanatus sicher nicht die geeignete Arznei, hier bedarf es vor allen Dingen der konstitutionellen Behandlung, wobei die Mononukleose-Nosode mir öfter rasche Besserungen beschert hat.
Die prompten Erfolge die uns die klassische Homöopathie in akuten Erkankungen bringt - vorausgesetzt, wir haben die richtige Arznei - begeistern uns immer wieder. Gerade in dem vergangenen Winter mit seinem massiven Auftreten nicht nur der klassischen Influenza sondern aller möglichen Erkältungsformen haben wir die ganze Palette der Akutmittel von Aconit über Belladona, Bryonia bis Phytolacca gebraucht und mit großem Nutzen einsetzen können. Die Erfolge waren eindrucksvoll, Antibiotika wurden nicht benötigt und erst recht nicht das jetzt favorisierte Tamiflu, das unsere Regierungen für 200 Millionen Euro eingebunkert haben, ohne dass es wirklich einen Nutzen zu haben scheint. Die gleiche kritische Anmerkung möchte ich auch auf die Grippe-Schutzimpfung beziehen, von der ich mehr Ärger als Nutzen sehe.
So gerüstet, braucht uns vor keiner Vogelgrippe bange zu sein.
Veröffentlicht in der Homöopathie aktuell 2/2009