Dr. Ernst Trebin

Allgemeinmedizin - Homöopathie

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Homöopathie und Spiritualität

Im Jahr 2002 widerfuhr mir die Ehre, in Bad Meinberg von der Deutschen Gesellschaft zur Förderung naturgesetzlichen Heilens einen Preis für meinen Aufsatz “Mein homöopathisches Credo” entgegennehmen zu dürfen. Die erste Preisträgerin, Frau Dr. Cordula Gepp-Gröger, ließ mich aufhorchen, als sie in ihrer Dankesrede davon sprach, dass zu wirklicher Heilung vier Schichten bedacht werden müssten: Der Körper, die Seele, der Geist und im innersten Kern schließlich die Spiritualität.

An diese Worte erinnerte ich mich, als die mehrjährige Behandlung eines missbrauchs-geschädigten Patienten eine entscheidende Wende nahm. Herr J. M., geb. 1950, stand einige Jahre schon in meiner Behandlung wegen flüchtiger Infekte und vor allem wegen einer Pollinose. Er hatte ferner gelegentlich Rückenschmerzen und fiel vor allem durch ein starkes Schwitzen auf. Zunächst behandelte ich ihn, noch ohne ausführliche Anamnese, mit Natrium silicicum und das durchaus erfolgreich. 2006 aber entwickelte er starke Schmerzen im linken Kniegelenk mit einem deutlichen Druckschmerz über dem Innenmeniskus. Meine bis dahin gewählte Arznei half nicht mehr und so bot ich ihm an, nun endlich eine ausführliche Grundanamnese durchzuführen.

Wie es immer so ist: Im Rahmen eines solchen ausführlichen Gespräches kommen erst die wahren Dramen eines Menschen zu Tage. Sein Schlüsselproblem war, dass er im Kindergartenalter von einem Priester sexuell missbraucht wurde. (Mit dieser Geschichte will ich nicht die Kirche an den Pranger stellen, denn ich glaube, dass die in jüngster Zeit so vehement aufgedeckten Missbrauchsvorgänge ein gesamtgesellschaftliches Phänomen waren und auch aufgeklärte Kreise erfassten siehe Odenwaldschule! Meines Erachtens waren diese Vorgänge Relikte einer faschistisch geprägten Zeit, die alle Gesellschaftsschichten einfärbte und deren Spuren erst über Jahrzehnte getilgt werden konnten.)

Das Leben meines Patienten war aber offensichtlich von diesen Übergriffen tiefgründig erschüttert. Herr M. blieb sein Leben lang ein resignierter Mensch, jeder Widerstand brachte ihn aus der Bahn und seinen Beruf als Betriebswissenschaftler hing er vor einigen Jahren an den Nagel, um fortan von den Resten eines ererbten Aktienpaketes zu leben.

Zurück zu seinen Knieproblemen: Die orthopädische Diagnostik erbrachte einen Meniskusschaden mit einer stark entzündlichen Reaktion, die offenbar sogar auf den Knochen übergegriffen hatte. Seine konstitutionellen Merkmale verwiesen nun überwiegend auf Phosphor, aber wegen der Knochenbeteiligung und anderer Elemente gab ich ihm Aurum phosphoricum, ein wenig bekanntes Mineral für eine syphilitisch-tuberkulinische Miasmatik. Darunter beruhigte sich der Knieschmerz sehr rasch, vollständig und nachhaltig und ich setzte diese Medikation in regelmäßigen Abständen fort.

Bald nach Beginn dieser Therapie aber wurde mein Patient, der nach Beendigung seines Berufes sich nun ehrenamtlich einer anderen Aufgabe widmete, von einer schweren Enttäuschung betroffen. Seine Mitstreiter hatten ihn aus Trägheit bei einer Veranstaltung im Stich gelassen, was ihn in eine tiefe Depression stürzte, verbunden mit schweren Selbstzweifeln, mit denen er sein ganzes bisheriges Leben in Frage stellte.

Nun war ich etwas verunsichert, denn ich hatte ihm doch mit einem Goldsalz eine mächtige antidepressive Arznei verabreicht. Hatte ich eine falsche Mittelwahl getroffen? Dann wurde mir aber die Missbrauchsituation bewusst, die seinem Leben eine entscheidende Weichenstellung gegeben hatte, und ich gab ihm Staphisagria. Diese Arznei führte ihn rasch wieder aus dem Stimmungstief heraus. Fortan erhielt er beide Arzneien im Wechsel und das ging nun so über vier Jahre.

Unter dieser Behandlung hat er sich sehr schön stabilisiert, körperlich war er stets wohlauf, und wiederkehrende, aber immer leichter zu ertragende psychische Krisen konnten erfolgreich aufgefangen werden. Er wurde weit weniger anfällig gegen Spannungen oder Irritationen in seinem privaten Umfeld und entfaltete weiter, und zunehmend unangefochten, sein ehrenamtliches Engagement.

Der Schatten des Missbrauchserlebnisses wollte aber nicht ganz weichen. Schuldgefühle mit ewiger Reue tauchten immer wieder auf und veranlassten ihn zum Rückzug aus der Gesellschaft. Schließlich fand er aber in einem Werk der Kirchenhistorie, nämlich in einem Kommentar zur Apostelgeschichte, eine Stelle, aus der er Mut schöpfte. Ich gebe seine Schilderung wieder, ohne die Quellenlage überprüft zu haben: Der Apostel Paulus sei von ähnlichen Schuldgefühlen und tiefer Reue erfüllt gewesen und habe sich immer wieder für einige Wochen in die Einsamkeit zurückgezogen. Sein Dilemma war, dass er vor seiner Bekehrung zum Christentum als Saulus an Christenverfolgungen teilgenommen hatte. Dies konnte er sich nicht verzeihen, bis sein Begleiter Barnabas ihn zu einer “fruchtbaren Reue” führte, nämlich Verständnis und Hilfe für andere Übeltäter aufzubringen und sich nicht mit nutzlosen Zweifeln aufzuhalten.

Diese Textstelle entlastete ihn sehr und als ich ihn schließlich darauf hinwies, dass diese Schuldgefühle allen sexuell Missbrauchten zu eigen seien, er aber nicht Täter, sondern Opfer war, fühlte er sich sehr befreit.

Ich glaube diese Einsicht wurde zu einem wichtigen Wendepunkt in seiner Genesung, und mir scheint, dass man die Behandlung jetzt nach zirka fünf Jahren zu einem Ende bringen kann.

Bamberg, im Dezember 2010

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