Als junger Assistenzarzt hatte ich einmal von meinem Oberarzt die Aufgabe übertragen bekommen, einen Patienten davon zu überzeugen, dass bei ihm eine Dickdarmspiegelung vorgenommen werden müsse. Der Mann klagte über Bauchschmerzen und wir wollten die damals noch junge Koloskopie anwenden, um diagnostische Sicherheit zu bekommen und ein bedeutsames Krankheitsgeschehen auszuschließen.
Der Patient, ein einfacher Mann, hatte aber erhebliche Bedenken gegen die in der Mitte der 70er Jahre noch relativ neue Untersuchungstechnik. Ich wandte meine ganze Überzeugungskraft auf und brachte ihn soweit, dass er für den folgenden Tag dem Eingriff zustimmte.
Mein Oberarzt - die Endoskope waren damals noch relativ starr - perforierte ihm den Dickdarm. Der Patient kam zum Chirurgen, der ihm den Bauch öffnete und ein stark verdicktes Kolon fand. Unter dem Verdacht eines Malignoms wurde eine Schnellschnitt-Untersuchung beim Pathologen veranlasst. Dieser diagnostizierte eine Kolonkarzinom, woraufhin der Chirurg den halben Dickdarm entfernte. Die spätere feingewebliche Untersuchung bestätigte aber den anfänglichen Befund nicht, es war wohl doch nur ein chronisch-entzündlicher Prozess.
Einige Monate später, ich war mittlerweile in einer anderer Abteilung beschäftigt, traf ich die arme Haut wieder. Er war bis zum Skelett abgemagert. Er war nicht böse, vielmehr voller Demut, als er mir berichtete, dass er nach der Operation eine Transfusionshepatitis eingefangen hatte, die ihm nun die Leber zerstörte.
Diese bittere Erfahrung hat mich gelehrt, nichts ernster zu nehmen als die Sorgen und Ängste meiner Patienten und nie wieder jemanden zu etwas zu überreden, was ihm Unbehagen bereitet. Ich habe erkannt, dass auch ein sogenanntes Bauchgefühl von allergrößter Bedeutung sein kann.
Am Donnerstag, 30. Januar 2014, brachte der Fernsehsender 3Sat unter dem Titel „Impfen, nein danke?“ eine Reportage über die Impfproblematik, über die Ablehnung so mancher der empfohlenen Impfungen vor allem in gebildeten Schichten. Wenngleich ein Impfskeptiker wie Michael Hirte gut zu Wort kam, der Autor des Buches „Impfen, Pro & Contra“, so wurde natürlich doch mit aller Rationalität und mit wissenschaftlicher Formulierungskraft dargelegt, dass alle die offiziellen Impfungen durchaus ihren Sinn hätten, dass gewiss die Impfverweigerer Schmarotzer an der Gesellschaft seien, da sie den Kohortenschutz mitnehmen würden, ohne selbst dafür etwas zu tun. Auch der Wahn, die Kinderkrankheiten ausrotten zu können, dafür hohe Durchimpfungsraten erzielen zu müssen und somit keine Toleranz gegen Impfverweigerer zulassen zu können, kam zur Sprache. Übereifrige und impfwütige Kinderärzte führten das Wort, die seit Jahren bis zu 50 Kinder pro Tag impfen würden, ohne je einen Schaden erlebt zu haben.
Ich frage mich wirklich, wie viel Verdrängung man leisten muss, wenn man so blind ist. Oder sammeln sich nur bei mir die Berichte über Impfschäden: Ein Junge wird gegen Polio geimpft, 4 Wochen später krampft er zum ersten Mal. „Zufall“ ist der Kommentar der Ärzte. Nach der zweiten Polio-Impfung dauert es drei Wochen bis zu einem erneuten Krampfanfall. „Zufall“ sagen die Ärzte wieder. Nach der dritten Impfung hört er nicht mehr zu krampfen auf und ist seither schwer entwicklungsgestört. Mittlerweile 9 Jahre alt, ist er auf dem Stand eines dreijährigen Kindes. Dies ist nicht der einzige Fall, auch ein anderer mir bekannter Junge erlitt das gleiche Schicksal. Aber da eine computertomografische Untersuchung eine kleine morphologische Veränderung an dessen Gehirn zeigt, lehnte der Richter die Anerkennung als Impfschadensfall ab.
Sicher müssen die Kinder, die krankhafte Reaktionen auf eine Impfung erleben, schon eine gewisse Anfälligkeit mitbringen – andere reagieren ja nicht -, aber deshalb ist die Impfung immer noch der eigentliche Auslöser für die Katastrophe. Auch ich habe einmal einen Krampfanfall durch eine Polio-Impfung verursacht, mit einer Latenz von drei Wochen. Als Konsequenz daraus habe ich jenes Kind nicht weiter geimpft, sondern mit Homöopathie daran gearbeitet, den Schaden wieder gut zu machen. Und das Kind hat keine weiteren Beschwerden entfaltet und nahm eine gesunde Entwicklung.
Ich impfe weiterhin gegen Polio, lasse mir aber erheblich Zeit damit und schließe die Kinder aus, die chronische gesundheitliche Störungen aufweisen, vor allem eine Neurodermitis. Erst wenn ich diese homöopathisch sicher beschwichtigt habe, nehme ich die Impfung vor. Mit dieser Vorgehensweise habe ich keine schlechten Reaktionen mehr erlebt; wurde diese Strategie aber missachtet, weil etwa Eltern auf der Impfung bestanden, dann sah ich wiederum schlimme Verläufe, gottlob aber nicht mit bleibenden Schäden – einmal erlebt nach Pertussis-Impfung, welche ich besonders verabscheue**. (Dass Haut und Hirn in enger Beziehung stehen, erklärt sich aus der embryonalen Entwicklung.)
Mich schaudert vor der Ignoranz der Impffreunde, die alle jene für dumm erklären, die Schäden erleben oder sich Sorgen machen. Sicher gibt es Komplikationen nach Masern, auch Todesfälle tragischster Art (die aber meines Erachtens durch die Impfung eher gefördert werden – man bedenke die Argumentation mit dem fehlenden Nestschutz), aber wenn die Natur so zugeschlagen hat, ist es doch etwas anderes als wenn ohne Not durch ärztliches Eingreifen ein Kind zum Krüppel wird.
Und besonders übel fand ich in jener Fernsehsendung das Auftreten einer Psychologin, deren Forschung der Psychologie des Impfverhaltens galt (wer finanziert das wohl?) und welche die Furcht von Eltern vor einem Impfschaden, genährt etwa von im Internet verbreiteten Mutmaßungen und Horrormeldungen, als verzerrte Risikowahrnehmung mit der Folge veränderter Impfentscheidung bemitleidete und diesem Dilemma keine Rechtfertigung einräumte, da die verbreiteten Impfkomplikationen allesamt unbewiesen wären.
Gefühle sind halt nur weiche Parameter und finden in der Wissenschaft kein Gehör. Womit wir wieder am Anfang des Aufsatzes wären•
Manchmal fehlt es einfach an einem gewissen geistigen Horizont.
Bamberg, im Februar 2014
*(„Zu allererst: Niemandem Schaden zufügen!“ Ein Grundsatz des ärztlichen Berufes)
**(Siehe auch unter www.ernst-trebin.de: „Meine Ansichten zu Schutzimpfungen“)
Veröffentlicht in der Homöopathie aktuell I/2014