Dr. Ernst Trebin

Allgemeinmedizin - Homöopathie

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Arsenicum phosphoricum und Mercurius phosphoricus – zwei ziemlich unbekannte Phosphor-Salze

Prolog

Der homöopathische Zeitgeist strebt nach Exoten. Seien es die Spinnen- oder die Milcharzneien, die Schlangenmittel und die Vogelfedern, die Schmetterlinge oder als dernier cri die Fischarzneien. Da wirken die ollen Mineralien schon ein wenig angestaubt.

Doch halten auch diese Substanzen, als Polychreste weit verbreitet, noch manche Überraschung bereit. Oft genug habe ich mich darüber ausgelassen, dass ich sie als Grundlage einer konstitutionellen Behandlung für unentbehrlich halte, selbst aber längst nicht mehr in reiner Form einsetze, sondern, außer in gelegentlichen Akutfällen, nur mehr als Salz, also in Kombinationen.

Einige interessante Verbindungen sind mir in den letzten Jahren zugefallen wie etwa Aurum phosphoricum [5] oder Arsenum sulfuratum flavum [6], das Kent eingeführt hat [1]. Im Jahr 2011 wurde ich auf Mercurius silicicus aufmerksam gemacht und das großartige Mercurius chloratus natronatus [7], welches ein Äquivalent zu Aurum muriaticum natronatum ist.

Es gibt einen leidenschaftlich engagierten Apotheker, den geschätzten Magister Robert Müntz aus Eisenstadt in Kärnten/Österreich, der solche Raritäten bereithält und der offensichtlich den Ehrgeiz hat, alles, was je in der Homöopathie auch nur angedacht wurde, in seinem Sortiment anzubieten (www.remedia.at).

Arsenicum phosphoricum

Bei ihm fand ich auch Arsenicum phosphoricum, das mir rein theoretisch ähnlich nützlich erschien wie Arsenum sulfuratum flavum. Auskunft erhalte ich von Magister Müntz leider nicht über die Urheberschaft solcher Salze, aber vermutlich stammen sie aus der Zeit von vor ca. 100 Jahren, als die Generation um Kent nach neuen und besseren Wegen suchte, weil man vielleicht mit dem herkömmlichen Arzneimittelschatz nicht mehr weiterkam, vergleichbar der heutigen Zeit, da offenbar auch eine Unzufriedenheit mit den Ergebnissen der Standard- oder Polychresthomöopathie die treibende Kraft für die Suche nach neuen Arzneien zu sein scheint.

Nun sind mir in meiner Arbeit einige schöne Erfolgserlebnisse widerfahren mit dieser Arznei Arsenicum phosphoricum, die ja in keinem Repertorium auftaucht und von der es kein Arzneimittelbild gibt, deren Indikation ich mir wie bei vielen anderen zusammengesetzten Mitteln lediglich über die Kombination ihrer Einzelbestandteile erarbeite.

Fallbeispiel 1

Die ältere Dame Gerda H. (Name geändert) betreute ich zum Zeitpunkt der ersten Niederschrift dieser Arbeit seit beinahe 25 Jahren. Ihre anfängliche Skepsis gegenüber der Homöopathie konnte ich im Laufe der Zeit durch kleine, spürbare Reaktionen - positive, aber auch manchmal negative - beiseite schieben. Der letzte Schritt, über den es heute zu berichten gilt, hat sie aber vollends überzeugt.

Anamnese

Mein Wissen über sie habe ich nach und nach zusammentragen müssen, da sie sich einer Anamnese verweigerte mit der Begründung, sie möchte mir doch nicht ihr ganzes Innenleben preisgeben. An Eitelkeit mangelte es ihr nie, genauer ausgedrückt, wirkte sie immer mit Ehrgeiz darauf hin, in gutem Lichte zu erscheinen und ihr gutes Ansehen, aber auch ihre vortreffliche äußere Erscheinung immer wieder bestätigt zu bekommen. Sie fühlte sich immer verehrens- und bewundernswert.

An Beschwerden brachte sie vor:

  • - eine Neigung zu Schwäche- und Kollapszuständen,
  • - einen empfindlichen Magen mit der Bereitschaft zu stenosierenden Duodenalulzera,
  • - gelegentliche Ausbrüche einer Psoriasis,
  • - einen Tinnitus in Form eines lästigen brummenden Ohrgeräusches, das eintrat, sobald sie sich zum Schlafen niederlegte.

Und nächtliche Panikattacken sowie eine Angst vor dem Alleinsein prägten ihr Gemüt.

Ganz auffallend war immer ihre hohe Empfindlichkeit gegen Medikamente aller Art; schon Bruchteile der verordneten allopathischen Arzneien taten ihre Wirkung.

Repertorisation

Aus dem Gesagten tritt uns schon ein wenig der Arsen-Charakter entgegen, und ein paar Symptomendetails weisen in dieselbe Richtung. So erzählte sie einmal von einem Hitzeempfinden in den Blutgefäßen (Kent, Bd. I: u.a. ARS., Aur., Calc., med., nat-m., Sulf.), ein andermal von einem Brennen der rechten Thoraxseite (Kent, Bd.II: u.a. ars., nat-p., sulf. [2]). Ihre scharfzüngig-provokante Art (Sarkasmus) ließ schließlich keinen Zweifel an Arsenicum mehr zu.

Mittelgabe und Verlauf

Ich gab ihr, lange ist es her, für einige Monate Arsenicum album in aufsteigenden Potenzen, was ihr zunächst recht gut bekam, irgendwann aber nicht mehr weiterführte. Die nachträgliche Durchforstung ihrer dicken Akte zeigt, dass danach Gründe auftauchten, mit Phosphor und seinen Salzen, v.a. Calcium phosphoricum weiter zu arbeiten. Neu aufgetretene Rückenschmerzen, hinter denen die begründete Befürchtung stand, sie würde die schlimme Osteoporose ihrer Mutter geerbt haben, waren damals der Grund.

Auch diese Strategie führte weiter, blieb aber auf Dauer wiederum unbefriedigend ebenso wie die Rückkehr zu Arsenicum album und – als neuer Ansatz – die Hinwendung zu seinen Salzen wie Aurum- , Kalium- oder Natrium arsenicosum.

Details, die für Phosphorus sprachen, waren unter anderem ein Schmerz der rechten Schulter (nachgetragen im Murphy als ein durchaus wichtiges und wahlanzeigendes Symptom, das sich mir so häufig klinisch bestätigt hat, dass sich seine Erhebung in den dritten Grad rechtfertigen würde), aber auch ein Engegefühl des Pylorus (Murphy: u.a. calc., lyc., phos., sulf. [3]), nicht zuletzt auch der bekannte Husten beim Gehen in die kalte Luft.

Phosphor alleine steht aber in der Rubrik Degeneration der Netzhaut – und darüber berichtete sie mir erst in den letzten Monaten. Mit Schrecken nahm ich zur Kenntnis, dass ihr Augenlicht vehement abgenommen hatte und sie nur mehr mit Lupe lesen konnte. Sie hatte mich darüber zunächst nicht in Kenntnis gesetzt (der Tod ihres Mannes zwei Jahre zuvor beherrschte unsere Gespräche in dieser Zeit). Ein Glaukom ebenso wie die Degeneration der Retina hatten ihren Augen aber zwischenzeitlich schwer geschädigt.

Nun war mir im Laufe des Jahres 2010 die Arznei Arsenicum phosphoricum zugefallen, und meine Patientin erhielt sie erstmal im Januar 2012. “Haben Sie kein Mitleid mit mir?”, klagte sie damals (also ein Verlangen nach Mitgefühl), und bestätigte mir damit die Wahl eines Phosphor-Präparates.

Nach der ersten Gabe von Arsenicum phosphoricum C200 fiel ihr Augendruck ab, um gegen Ende der Wirkdauer von 35 Tagen wieder zu steigen von 14 auf 37 mm Hg. Ein “dröhnender” Schmerz im Auge begleitete diesen Rückfall (Glaucoma with pain: Phos., laut Murphy!). Eine zweite und nach drei Monaten dritte Gabe beruhigte das Auge weiterhin und tat ihr auch allgemein sehr gut. Da bei der darauffolgenden Konsultation die letzte Dosis erst vier Wochen zurück lag und keine aktuellen Beschwerden zu beklagen waren, wollte ich die Arznei noch wirken lassen und gab ihr nur ein Fläschchen von 5 ml 30%igem Ethanol und darin aufgelöst fünf Globuli Ars-p. C200 mit, damit sie diese bei Bedarf einnehmen konnte nach vorherigem Verschütteln, wie man es mit flüssigen LM- oder Q-Potenzen macht.

Drei Monate später sah ich sie wieder und hörte ihren Bericht: Tage zuvor habe sie Blitze und rot-grüne Gitterstrukturen gesehen, ihre Augenärztin sprach von einer Makulopathie und prophezeite ihr eine qualvolle Zeit mit fortbestehenden lästigen Gesichtsillusionen. Da habe sie sich ihres Fläschchens erinnert, das sie bis dahin gar nicht benutzen musste, nahm ein paar Tropfen, und binnen weniger Stunden verschwanden die Erscheinungen.

Fallbeispiel 2

Klara M., 39 Jahre, kam immer mit freudestrahlender Miene in meine Praxis. Mit 23 Jahren hatte sie bereits den ersten Schub einer Encephalomyelitis disseminata erlebt, der mit einer Sehnerventzündung einherging. Zwei Jahre später kam es zu einem zweiten Schub, der begleitet war von Änderungen der Rot-Grün-Wahrnehmung. Die Jahre danach war sie symptomfrei, kam aber nun, Mitte 2011, erstmals in meine Behandlung wegen eines Rückfalls. Eine Therapie mit Cortison war schon in die Wege geleitet, hatte nebenbei ein diffuses Exanthem mit intensiver Hautrötung, aber ohne Juckreiz ausgelöst, was aber spontan schon wieder abgeklungen war. Der aktuelle MS-Schub hatte begonnen mit Nackenschmerzen, mit Steifigkeit der Muskulatur und einem Prickeln entlang der Brustwirbelsäule beim Kopfbeugen, setzte sich fort mit einer Steifheit der Kleinfinger sowie mit einer Pelzigkeit von Fingern und Zehen, die später Brust, Bauch und schließlich den ganzen Körper überzog. Eine MRT zeigte einen frischen Herd im Halsmark.

Der erste Ausbruch der MS mit 23 Jahren wurde in Zusammenhang mit beruflichem Stress gesehen, der jetzige Schub hatte als Hintergrund eine massive Auseinandersetzung mit einer Kollegin am Arbeitsplatz. Die übrige Anamnese war denkbar unergiebig, sie bezeichnete sich als tierlieb, besitzt Pferd und Hund, charakterisiert sich (und erscheint auch so) als gutgelaunt und gesellig. Sie trinkt gerne Milch, isst gern würzig und scharf. In der Familienanamnese findet sich Altersdiabetes, Glaukom, Hypertonus, Magenulkus und Pollinose mit Asthma.

Die wenigen verfügbaren Symptome sind in der Repertorisation (Tabelle 1) aufgelistet und verweisen auf eine hohe Prävalenz von Phosphor. Nun halte ich Phosphor für eine Arznei der Tuberkulinie; es hat aber sicher auch einen hohen Stellenwert in der Behandlung der MS. Nach meinem Dafürhalten fehlt aber angesichts dieses destruktiven neurologischen Leidens eine syphilitische Komponente. Und nach der Arbeitsweise, für die ich bekanntlich eintrete, entschied ich mich für eine Kombination mit Aurum, da das Gold noch am deutlichsten in der Repertorisation hervortrat. Ich gab also Aurum phosphoricum C200 und später in LM (Korsakoff).

Die noch verbliebene MS-Symptomatik bildete sich daraufhin langsam zurück, die Nackenschmerzen verringerten sich, ebenso das Prickeln der Brustwirbelsäule beim Kopfbeugen sowie die Taubheit von Handteller und rechtem Fuß. Weil ein Globusgefühl neu auftrat und der Auslöser des aktuellen Krankheitsschubs eine Kummersituation war, gab ich intermittierend Ignatia C200. Während der nächsten Monate verloren sich die Sensibilitätsstörungen nach und nach, es schien mir aber, dass die Wirkdauer der jeweiligen Gaben etwas kürzer war als ich erwarten mochte. Nach einem Jahr der Behandlung waren die Parästhesien der Hand nur mehr ganz sporadisch wahrzunehmen.

Sechs Wochen nach der vorläufig letzten Gabe von Aurum phosphoricum LMK berichtet sie aber über ein Trübsehen des rechten Auges, über ein Schleiergefühl und vor allem über ein Verblassen der Farben. Bevor ich eine erneute diagnostische Abklärung veranlasste, überprüfte ich nun meine Arzneimittelwahl und zog das Symptom Gegenstände erscheinen grau für meine weitere Entscheidung heran. Hier fand sich ebenso wie in der Rubrik Entzündung des Sehnervs Arsenicum album (siehe Tab.1). Da an dem Phosphor-Grundcharakter meiner Patientin kaum zu zweifeln war, entschied ich mich nun für die Kombination Arsenicum phosphoricum C200.

Binnen fünf Tagen war die neu aufgetretene Symptomatik wieder abgeklungen, fünf Wochen später tauchte vorübergehend ein leichtes Kribbeln der rechten Hand auf, waren die Augen aber weiterhin in Ordnung. Jetzt gab es eine weitere Dosis Arsenicum phosphoricum C200, und ich ging davon aus, dass wir nun - nach Umwegen - für diesen Fall die geeignete Arznei gefunden hatten.

Neuer Anlauf

Als ich diesen Bericht vor über zwei Jahren in dem Bedürfnis, meine freudigen Erlebnisse der homöopathischen Öffentlichkeit mitzuteilen, bei der AHZ einreichte, kamen angesichts der kurzen Beobachtungszeit Bedenken auf, dass dieser Fall schon definitiv abgeschlossen werden könnte. Und tatsächlich nahm die Behandlung eine neue Wendung, musste ich mich auf die Suche nach einer neuen Strategie machen.

Meine Arbeitsweise

Bevor ich den weiteren Gang der Dinge beschreibe, möchte ich meine mittlerweise recht komplex geratene Arbeitsstruktur kurz skizzieren; sie reibt sich an manchen Konventionen der klassischen Homöopathie (wie z.B. die hohe Wertschätzung des Einzelsymptoms oder die geringe Wahrnehmung der Pathologie), ohne aber die gemeinsamen Grundlagen zu verlassen oder in Frage zu stellen. Sie ist vielmehr die Frucht meiner 30-jährigen Verehelichung mit unserer Heilmethode.

Nicht nur, dass ich die Mineralien und Metalle für die unentbehrlichen Ausgangssubstanzen in der Behandlung chronischer Krankheiten halte (natürlich unterstützt durch flankierende Gaben von Nosoden oder weiteren Satellitenmitteln), nicht nur, dass ich die kompletten Salze seit längerem bevorzuge, ich sehe in den letzten Jahren immer deutlicher die Notwendigkeit einer dualen Therapie-Strategie, die auf der einen Seite die Genetik berücksichtigt, also das, was unsere Vorfahren uns in die Wiege gelegt haben, und die auf der anderen Seite unsere Sozialisation als krankmachenden Faktor benennt und mit entsprechenden Arzneien beantwortet.

Während es verbreiteter Usus ist, im Laufe einer konstitutionellen Behandlung mehr oder weniger häufige Mittelwechsel vorzunehmen, was schon Hahnemann zu tun pflegte, brauche ich, wenn ich mich denn zur passenden Kombination vorgearbeitet habe, außer mit den oben genannten Ergänzungen keine weiteren Haken zu schlagen. Jedoch erlebte ich in einigen Dutzend Fällen bisher, dass schwere biografische Belastungen oder Krebsfälle in der Aszendenz parallel oder in Abfolge die Berücksichtigung des karzinogenen Miasmas erfordern, was mit der Gabe von Carcinosinum und den diesem Miasma zugeordneten Kalium-Salzen gelingt.

Über diese Strategie und warum ich diese Zuordnung postuliere, habe ich anderenorts schon mehrfach berichtet [8, 9], für die AHZ bereite ich derzeit eine Stellungnahme vor.

Der weitere Therapieverlauf

Das Farbsehen war nach Arsenicum phosphoricum wieder hergestellt, dieses Symptom also bereinigt, aber die MS und speziell die Störung des Sehnervs blieb bestehen, äußerte sich aber nun in einem intermittierenden Trüb- oder Nebelsehen des linken Auges mit den merkwürdigen Modalitäten einer Verschlimmerung in Wärme, nach dem Duschen und nach Anstrengung. Auch die Sensibilitätsstörungen tauchten hin und wieder einmal auf.

Die den genannten Visusveränderungen zugeschriebenen Repertoriumsrubriken sind klein, Pulsatilla, aber auch Kalium carbonicum finden sich hier. Nach längeren Irrwegen entschied ich mich für Kalium sulfuricum (die chronische Pulsatilla [6]), welches in mehreren Gaben C200 das Sehvermögen deutlich normalisierte, während die Sensibilitätsstörungen befriedigend mit Mercurius phosphoricus beantwortet wurden – womit sich mir bestätigte, dass doch so gut wie jeder Fall von MS eines Quecksilbersalzes bedarf. Leider fehlt mir in diesem Falle ein deutlicher anamnestischer Hinweis auf das karzinogene Miasma, abgesehen von der hohen Tierliebe, die das Leben dieser Patientin ausfüllt.

Resümee

Arsenicum phosphoricum und Mercurius phosphoricus sind sogenannte kombinierte Arzneien, auch Doppelmittel genannt. Dieser Begriff wurde schon von Hahnemann und Aegidi gebraucht, die sich in ihrer Debatte über den Wert derartiger Arzneien klar auf diese Salze bezogen. „Das haben wir ja schon die ganze Zeit so gemacht, schreibt Hahnemann an Aegidi, indem wir zum Beispiel Quecksilber und Schwefel als Quecksilbersulfid, nämlich Zinnober verabreicht haben“. Er wollte nach Aussagen von Lutze im Organon V den sogenannten Doppelmittel-Paragrafen unterbringen:

„Einzelne zusammengesetzte (complizierte) Krankheitsfälle gibt es, in welchen das Verabreichen eines Doppelmittels ganz homöopathisch und rationell ist; wenn nämlich jedes von den zwei Arzneimitteln dem Krankheitsfalle homöopathisch angemessen erscheint, jedes jedoch von einer anderen Seite; oder wenn der Krankheitsfall auf mehr als einer der von mir aufgefundenen drei Grundursachen chronischer Leiden beruht, und außer der Psora auch Syphilis und Sykosis mit im Spiel sind.“

Er nahm aber schließlich davon Abstand, da er sich der Vorhaltung der „Vielmischerei“ nicht aussetzen wollte, die ja gerade er heftig bekämpfte (die genannten Zitate stammen aus Otto Weingärtner: Homöopathische Kombinationsarzneimittel [11]). Als schließlich auch Aegidi die Verabreichung von Doppelmitteln unterließ, äußerte sich Hahnemann zufrieden über das Ende „dieser gräulichen Ketzerei“. Dass die Doppelmittel in der Homöopathie nicht besonders geschätzt sind, beruht nicht nur auf der ungenügenden Prüfungssituation, sondern ist auch Produkt dieser Diskussion; ihre Ablehnung hat also eine lange Tradition.

Warum dennoch diese Doppelmittel, warum diese kombinierten Arzneien? Zum Auftreten einer bedeutenden Pathologie bedarf es möglicherweise des Zusammenwirkens, des Verkomplizierens mehrerer Miasmen. Doppelmittel können, wie Hahnemann schon ansprach, zwei Miasmen repräsentieren und decken so den genetischen Hintergrund umfangreicher ab. Schüßler und Kent erkannten den Wert dieser Präparate, welche es auch mir erlaubten, mit ihrer Hilfe, und nur mit ihrer Hilfe, auch nicht durch den Einsatz ihrer Einzelelemente in Folge, tiefe Pathologien zu erreichen, die ich ohne sie nicht auflösen konnte.

So repräsentieren Arsen und Mercurius die Syphilinie und Phosphor die Tuberkulinie. Ihre Kombination war mir hilfreich bei je einem Fall von Multipler Sklerose und Degenerativer Retinopathie, die neben der Erkrankung nervaler Strukturen – Syphilinie! – als auffallende Gemeinsamkeit eine Rot-Grün-Verschiebung der visuellen Wahrnehmung hatten, eine Keynote von Phosphor [10]. Ein weiterer Nutzen in zuvor ungelösten Fällen zeichnet sich ab und wird voraussichtlich Gegenstand künftiger Betrachtungen sein.

Bamberg, im Mai 2015
Veröffentlicht in der AHZ 4/2015

Literaturverzeichnis


[1] Kent JT: Neue Arzneimittelbilder der homöopathischen Materia Medica. Heidelberg: Haug; 1997
[2] Kent JT: Kents Repertorium. Heidelberg: Haug; 1986
[3] Murphy R: Homeopathic Medical Repertory. Durango, Colorado, USA: Donelley & Sons; 1996.
[4] Trebin E: Natrium silicicum und Kalium silicicum. AHZ 2005; 250: 77-84.*
[5] Trebin E: Aurum phosphoricum, Theorie und Praxis. AHZ 2007; 252: 77-84.*
[6] Trebin E: Pulsatilla und ihre Freunde. AHZ 2007; 252: 220-226.*
[7] Trebin E: Kleine, feine Quecksilbersalze. AHZ 2012; 257: 19-22.*
[8] Trebin E: Carcinosin und die Kali-Salze. Homöopathie aktuell 4/2010: 8-10.*
[9] Trebin E: Kein bergend‘ Nest. Homöopathie aktuell 3/2014: 12-13.*
[10] Voegeli A: Leit- und wahlanzeigende Symptome der Homöopathie. Heidelberg: Haug; 1984.
[11] Weingärtner O: Homöopathische Kombinationsarzneimittel. Essen: KVC-Verlag; 2007.
(*auch unter www.ernst-trebin.de

Zusammenfassung

Die ziemlich unbekannten Arzneimittelkombinationen Arsenicum phosphoricum und Mercurius phosphoricus erwiesen sich als nützlich bei je einem Fall vom Degenerativer Retinopathie und Multipler Sklerose.

Schlüsselwörter

Arsenicum phosphoricum, Mercurius phosphoricus, Multiple Sklerose, Degenerative Retinopathie.

Summary

The widely unknown combined remedies Arsenicum phosphoricum and Mercurius phosphoricus were usefull in cases of multiple sclerosis and degeneration of retina.

Keywords

Arsenicum phosphoricum, Mercurius phosphoricus, multiple sclerosis, degeneration of retina.

Anlage

Repertorisationstabelle Arsenicum Phosphoricum (PDF)

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