Es war im Jahr 1997, ich hatte gerade meine Kassenarztzulassung abgegeben, um mich künftig als Privatarzt gründlicher der Homöopathie widmen zu können, als mich ein Anruf erschütterte: Mein Cousin, damals anfangs der 40er, sei vom Pferd gestürzt, habe sich etliche Frakturen der Schädelbasis und -kalotte zugezogen mit der Folge eines so massiven Hirnödems, dass er nicht mehr zu retten sei, mit seinem Tod würde in 2 bis 3 Tagen gerechnet, eine Verlegung, etwa in eine neurochirurgischen Klinik, sei aussichtslos.
Ich setzte mich ins Auto, fuhr nach Weiden, klopfte schüchtern, aber in voller Überzeugung, helfen zu können, an die Pforte der Intensivstation und bat den diensthabenden Arzt, mit homöopathischen Arzneien mitbehandeln zu dürfen. Ich händigte ihm Arnica aus, 3 Tage je in C30, am 4. Tag in C200 zu geben. Er willigte ein, berichtete mir aber später, dass es noch Diskussionen mit seinen Kollegen gab, ob es statthaft und zu vertreten wäre, dem Todgeweihten Alternativmedizin angedeihen zu lassen.
Mein Cousin war wohlhabend, liebte das gute Leben, hatte sich ein edles Ross aus Irland geholt, an diesem Tag mittags nicht nur gut gegessen, sondern auch gut getrunken, und war dann beim nachmittäglichen Ausritt im Wald übel gestürzt.
Er überlebte. Einen Tag nach Beginn der Arnica-Gaben zeigte das CT eine deutliche Rückbildung des Ödems (Die Station fragte einige Wochen später bei mir nach, wie denn nochmal die Dosierung dieses Arnica wäre, man hätte nun einen ähnlichen Fall). Gerd lag noch 4 Wochen im Koma, danach folgten 2 Monate Rehabilitation, während derer er zunächst Hypericum C30, 2 mal pro Woche, und anschließend Natrium sulfuricum C30, alle 14 Tage, erhielt - nach dem segensreichen Schema vor Gerhard Köhler [1]. Schließlich nahm er seinen Beruf als Apotheker wieder auf und lud die Mannschaft der Intensivstation 9 Monate nach seinem Unfall zu einer Wiederauferstehungsfeier ein.
Er hatte gewisse Defekte zurückbehalten, so eine leichte Halbseitenlähmung und eine teilweise Einschränkung des Gesichtsfelds, war aber im Übrigen voll einsatzfähig. Ich schreibe über ihn in der Vergangenheitsform, denn nach einem weiteren Jahr starb er an einem Pankreas-Karzinom, bei dem ich ihm nicht mehr helfen konnte.
Arnica, das würde reflexhaft jeder Homöopath in einem solchen Fall geben, aber man muss es einmal erlebt haben, um zu wissen, wie durchschlagend unsere Arzneien wirken können. Und dies war beileibe kein Einzelfall in meiner Laufbahn. Umso bedauerlicher finde ich es, dass die sogenannte Schulmedizin unser Handwerkszeug dermaßen missachtet. Angesichts einiger Unfallgeschichten, die die Öffentlichkeit bewegten wie bei Michael Schuhmacher oder Samuel Koch, habe ich den Leiter der berühmten Unfallklinik Murnau angeschrieben und versucht, ihn für unsere Arzneien zu interessieren, aber es kam keine Antwort geschweige denn eine weitergehende Nachfrage. Wenn man bedenkt, wieviel Leid damit zu lindern wäre, kann man nur seufzen über die Vorurteile und die Ideologie in den Köpfen der Kollegen.
Apropos Vorurteil: Vor vielen Jahren beklagte sich ein Psychologe bei mir über seine nächtlichen Beschwerden mit der Halswirbelsäule. Er führte sie auf einen länger zurückliegenden Sturz aus dem Bett zurück, bei dem er sich den Nacken verrissen hätte. Ich glaubte seiner Ursachenvermutung nicht und dachte bei mir, so ein Psychologe hat doch gewiss seine Leichen im Keller, die er erfolgreich verdrängt hat, die ihm aber nachts im Nacken sitzen und ihm den Schlaf rauben.
Und so probierte ich dies und das, was auf seine Psyche wirken sollte, bis er mir eines Tages einen deftigen Bläschenausschlag am Handballen präsentierte. Da war mir klar: Rhus toxicodendron war die Lösung und ich hatte ihm Unrecht getan. Erst die weitere Entfaltung des Arzneimittelbildes musste mir den Weg weisen zu der Arznei, die von vorneherein angezeigt war und schließlich auch half.
G. B., damals 55 Jahre alt, stürzte auch, nicht aber vom Pferd, sondern mit dem Motorrad. Es war sogar im Stillstand an einer Kreuzung, als seine schwere BMW kippte und dabei seinen Unterschenkelknochen bersten ließ. Der Frakturriss erstreckte sich bis hinein in das Kniegelenk. Aufwendig war der osteosynthetische Eingriff, eine vollständige Kongruenz der Gelenksfläche war gar nicht mehr zu erreichen und der Bruchspalt wollte nicht heilen.
Nach 4 Monaten entwickelte sich eine ausgedehnte Entzündung über der gesamten Tibia mit blauroter Verfärbung. Als er zu mir kam, hatte er schon über eine Woche ein Antibiotikum eingenommen mit bislang nicht zu erkennender Besserung. Ich fand eine bis ins Detail passende Rubrik im Murphy [2]: Bones, inflammation after fracture of tibia. Sie enthält nur Anthracinum, dreiwertig.
Diese Nosode, genauer gesagt, eine Sarkode (da ihre Herkunft Organgewebe ist und keine Ausscheidung), war schon zu Hahnemanns Zeit in Gebrauch [3], wurde aber erst auf Anregung Constantin Herings eingehender erforscht. Sie wird gewonnen aus der Milz eines an Milzbrand ‑ Anthrax ‑ erkrankten Kaninchens. Das Arzneimittelbild umfasst Karbunkel, Erysipel und Gangrän, u. a. auch blaurote Verfärbungen des Unterschenkels nach offenen Frakturen. Wenn Arsen nicht mehr ausreicht, so heißt es, darf man sich von Anthracinum noch Hilfe erwarten [4]. Es lag in unserem Fall zwar keine primär offene Fraktur vor, aber die Reposition erfolgte durch einen chirurgischen Eingriff. Einer Gabe Anthracinum C200 folgte schließlich eine rasche Heilung.
Und auch über eine sekundäre Verletzungsfolge habe ich zu berichten. Eine Dame behandelte ich mit Akupunktur wegen ihrer Rückenschmerzen. Nebenbei beklagte sie panikartige Zustände mit heftigem Herzklopfen und dem Gefühl, gleich sterben zu müssen. Begonnen habe dies, als ein Nachbar zu ihr an den Zaun trat und sie fragte, ob sie schon erfahren habe, dass ihr Sohn mit dem Motorrad verunglückt sei. Dass es glimpflich ausgegangen war, konnte sie noch nicht wissen, aber der Schreck hatte sie so tief ergriffen, dass sie seither ihre Anfälle nicht mehr los bekam. Eine Dosis Aconit C200 löste das Problem.
Ein Künstler, dessen Metier es ist, große Stahlskulpturen zu gestalten, kam im Dezember 2012 eigentlich wegen Rückenschmerzen zu mir, zeigte mir aber am Ende der Konsultation seine übel zugerichtete rechte Hand. Nach einem Katzenbiss vor 7 Wochen hätten sich Chirurgen darüber hergemacht, tiefe Schnitte vorgenommen und vielfache Antibiotika gegeben. Die Hand war massiv geschwollen, ihre elegante Kontur gänzlich verstrichen, sie war kaum zu gebrauchen. Nachdem ich zunächst schon Nux vomica C200 für den Rücken gegeben hatte, verabreichte ich ihm für den nächsten Tag Ledum C200 und nach einigen Tagen nochmal dieselbe Arznei in 30%igem Alkohol zur täglichen Einnahme von 5 Tropfen, eine Woche lang. Bis zur nächsten Konsultation 2 Monate später, aus ganz anderem Grund, war die Hand wunderbar verheilt.
Herr M., heute 66 Jahre alt, wurde im Kindergartenalter von einem Priester sexuell missbraucht. Er war offensichtlich von diesen Übergriffen so tiefgründig erschüttert, dass er sein Leben lang ein resignierter Mensch blieb, den jeder Widerstand aus der Bahn warf und der immer wieder unter Schuldgefühlen litt. Seinen Beruf als Betriebswissenschaftler hing er vor einigen Jahren an den Nagel, um fortan von den Resten eines ererbten Aktienpaketes zu leben. Ich konnte seine Seele, aber auch seine körperliche Verfassung schön stabilisieren mit fortgesetzten Gaben von Kalium silicicum, anfangs in C200, später in C50.000K, mit gelegentlichen Zwischengaben von Carcinosin C200. Nach seinem Eintritt in den beruflichen Ruhestand widmete er sich ehrenamtlichen Aufgaben, musste aber auch hier Enttäuschungen einstecken derart, dass seine Mitstreiter ihn öfter im Stich ließen, wenn etwa eine öffentliche Präsentation anstand. Dies stürzte ihn aber wiederholt in schwere Depressionen, wobei er an allem, was er bisher leistete und darstellte, massiv zweifelte. Eingedenk seiner Biografie gab ich ihm in solchen Krisen stets Staphisagria C200, später auch C1000 - und dies half ihm immer wieder auf und hob seine Stimmung. Im Übrigen verschaffte ihm die konstitutionelle Behandlung nicht nur körperliche Gesundheit, sondern auch ein wesentlich besseres Selbstbewusstsein, so dass auch sein persönliches Umfeld ihm nach und nach den lange verwehrten Respekt entgegenzubringen lernte.
Bamberg, im Januar 2015
Veröffentlicht in der AHZ 3/2015
[1] Köhler G. Lehrbuch der Homöopathie, Bd. II. Stuttgart: Hippokrates; 1986.
[2] Murphy R. Homeopathic Medical Repertory, Second edition. Dunrango, Colorado, USA:Hahnemann Academy of North America; 1996.
[3] Mezger J. Gesichtete Homöopathische Arzneimittellehre, Bd. I. Heidelberg: Haug; 1995.
[4] http://hpathy.com/e-books/guiding-symptoms-of-our-materia-medica/anthracin/
Verschiedene körperliche und seelische Verletzungen werden beschrieben, bei denen homöopathische Akutmittel, meist pflanzlicher Herkunft, rasch Abhilfe leisteten.
Aconitum, Anthracinum, Arnica, Carcinosinum, Hypericum, Kalium silicicumLedum, Natrium sulfuricum, Rhus toxicodendron, Staphisagria.
Several physical and emotional injuries are described, in which acute remedies, mostly of vegetable origin, could lead to a prompt healing.
Aconitum, anthracinum, arnica, carcinosinum, hypericum, kalium silicicum, ledum, natrium sulfuricum, rhus toxicodendron, staphysagria.