Dr. Ernst Trebin

Allgemeinmedizin - Homöopathie

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Vitamin B12 und Avocado-Öl - Über die Therapie der Neurodermitis

Jüngst erregte eine aufrüttelnde Fernseh-Reportage Aufmerksamkeit: Es ging um die Behandlung der Neurodermitis mit einer neuen Creme-Zubreitung, die Vitamin B12 und Avocado-Öl enthält. Die Behandlungserfolge seien vielversprechend, leider sei kein pharmazeutischen Unternehmen bereit, die Produktion zu übernehmen. 10% der Weltbevölkerung würden unter den Qualen dieser juckenden Hauterkrankung leiden, hieß es in der Sendung. Und es wurden auch schwer betroffene Patienten vorgeführt.

Es wäre zu wünschen, dass ein so mildes Präparat Linderung verschaffen würde, und doch muss man darauf hinweisen, dass die Beschwichtigung einer kranken Haut durch Externa immer nur die zweitbeste Lösung darstellen kann. Neurodermitis entspringt einer tief sitzenden Veranlagung, ist meist gekoppelt mit anderen Störungen und sollte, sofern man denn kann, an der Wurzel bereinigt werden, das heißt, von innen heraus Heilung finden.

Die Homöopathie kann das, macht es dem Therapeuten - und dem Patienten - aber oft nicht leicht. Vielfach ließ mich die Therapie in früheren Zeiten im Stich, und das ist bitter, wenn man z.B. einem fürchterlich geplagten Kleinkind und seinen mitleidenden Eltern nicht helfen kann. Aus Anlass der Fernsehsendung unterzog ich meine Arbeit einer Bilanz, was eine sehr transparente Sache ist, denn deutlich wie kaum bei einer zweiten Erkrankung liegen Erfolg oder Versagen der Therapie unmittelbar vor Augen. Das Resultat gebe ich gerne weiter.

Vor vielleicht noch zehn Jahren waren meine Arzneien wie allgemein üblich die gängigen Polychreste Sulfur, Phosphor oder Calcium carbonicum. Das sind auch die Arzneien, mit denen meine Patienten meist vorbehandelt sind, aber nicht geheilt werden konnten. Nun werde ich gelegentlich - durchaus freundschaftlich gemeint - der Mineralomanie bezichtigt, weil ich in den letzten Jahren die chronisch-konstitutionellen Krankheiten fast nur noch mit kompletten Salzen behandle. Sie sind mir das Rückgrat der Therapie, freilich ergänzt durch weitere Arzneien, was noch zur Sprache kommen wird.

So geschieht es, dass eine Kind aus guten Gründen Sulfur erhält, weil etwa der Juckreiz ausgeprägt ist und schlimmer wird in Wärme oder nach einem Bade. Trotzdem bleibt der Erfolg aus. Wenn ich dann Hinweise finde auf einen miasmatische Belastung nicht nur durch die Psora, die ihre Manifestation im Juckreiz findet, sondern auch durch die Sykose in Gestalt von Warzen, Pilzinfektionen oder Harnwegsinfekten, dann kombiniere ich mit Natrium zu Natrium sulfuricum und schon läuft die Sache viel besser.

Der bereits verstorbene Gerhard Köhler empfahl, den Beginn der Kur lieber mir einer Akutarznei wie Dulcamara, Dolichos pruriens oder Viola tricolor zu beginnen; davon sah ich aber bisher keinen Nutzen. Was ich aber unbedingt brauche, ist die begleitende Gabe von Nosoden. Hier musste ich manche Einsicht erst erwerben, so etwa, dass besagtes Natrium sulfuricum, das als klassische Arznei der Sykose gilt, nicht nur Medorrhinum oder Thuja als Ergänzung brauchen kann, sondern auch Psorinum, da es eben mit Sulfur auch psorische Anteile repräsentiert.

Ein paar Beispiele:

Emma H. wies schon in den ersten Lebenswochen trockene, rote Hautstellen auf, im Gesicht, am Bauch und an den Armen. Der Juckreiz war meist mässig, sobald sie aber ausgezogen war, begann sie zu kratzen. Zudem hatte sie Milchschorf mit gelben Krusten und einen krustigen Ausschlag der Augenbrauengegend. Anfangs hatte sie Blähungskoliken unter Muttermilch, war nachts oft unruhig und ist auch heute, mit gut zwei Jahren, ein quirliges Mädchen, das am liebsten im Laufschritt unterwegs ist. Sie hat ein sehr gewinnendes Wesen und gibt gerne die Richtung an, hat einen gewissen Befehlston an sich. In meiner Arzneimittelwahl war ich anfangs unsicher; gerade Kleinkinder offenbaren noch nicht viele verwertbare Charakteristika. An Phosphor oder eines seiner Salze dachte ich von Anfang an. Als sie mit einem halben Jahr einen Harnwegsinfekt entwickelte und dieser unter Medorrhinum prompt ausheilte, war mir klar, dass die Wahl der konstitutionellen Arznei auf Natrium phosphoricum fallen würde. Als C200 gegeben und drei Wochen später um Thuja C200 ergänzt (wegen einer Impfung) brauchte es doch noch fast ein Vierteljahr, bis das Hautbild weitgehend erscheinungsfrei war; einzelne Stellen ohne wesentlichen Leidungsdruck flackerten später noch auf. Welche Bedeutung das zwischendurch gegebene Tuberculinum, die miasmatische Unterstüzung zum Phosphor, unter anderem bei ihr wegen einer gewissen Aggressivität indiziert, für die Beruhigung des Ekzems hatte, kann ich nicht beurteilen. Heute, mit gut zwei Jahren, ist Emma frei von Hauterscheinungen und auch sonst sehr vital, wenn man von einigen katarrhalischen Infekten absieht, die der Besuch der Kinderkrippe halt so mit sich bringt.

Sophia W. kam mit sechs Jahren in meine Behandlunng. Auch sie wies seit Geburt ein Ekzem auf, betroffen waren Ellenbeugen, Kniekehlen, der Rücken und auch die Haut hinter den Ohren. Der Juckreiz war ausgeprägt und auf gewisse Nahrungsmittel reagierte sie mit Quaddelbildung - nach Milch, Nüssen und Fisch. Zudem neigte sie sehr zu Bronchitiden und musste mit vier Jahren wegen eines schweren Asthmas im Krankenhaus behandelt werden. Schließlich beobachtete die Mutter immer wieder eine lebhafte Warzenbildung; so wies der rechte Handrücken schon mal 20 Stück davon auf. Sophia ist ein sehr interessiertes Kind und weiß bei jedem Besuch meine Helferinnen zu für sich zu gewinnen und zu beschäftigen. Bei ihr war die Sykose nicht zu übersehen und ich entschied mich für Natrium sulfuricum, was schließlich auch die Hauptarznei bei kindlichem Asthma ist. Erstaunlicherweise vertrug sie diese Arznei nur in vorsichtig aufsteigender Dosierung; sie erhielt LM-Potenzen der Firma Arcana mit intermittierenden Gaben von Medorrhinum. Der Heilungsverlauf war träge, auch die Bronchialspastik meldete sich immer wieder, wenngleich hierfür weder Klinik noch Antibiotika noch einmal nötig wurden. Nach einem halben Jahr benötigte sie aber noch einmal die Unterstützung einer Spezialklinik für Neurodermitiker. Schließlich fasste die Therapie aber Tritt und heute, nach dreieinhalb Jahren homöopathischer Behandlung, ist Sophia in jeder Hinsicht symptomfrei, ihre Arznei erhält sie aber noch alle drei Monate als C50.000. Hätte ich früher daran gedacht, Psorinum als Ergänzung auch bei Natrium sulfuricum einzusetzen, wären wir vielleicht schneller zum Ziele gekommen.

Eine andere Sophie W. hat mir diese Möglichkeit aufgezeigt. Sie kam mit zwei Jahren zu mir, hatte ein generalisiertes Ekzem und war von besonders starkem Juckreiz geplagt. So brauchte sie einen speziellen Schlafanzug, der Hände und Füsse einschloss, um sie am nächtlichen Wundkratzen zu hindern. Linola-Fett-Emulsion musste ich töpfeweise verordnen. Sophie war vorbehandelt mit Sulfur, aber ohne Erfolg. Für mich war eine Schwefelverbindung sicher angezeigt, ich arbeitete mich aber durch alle Schwefel-Salze und kam auch kaum weiter. Nur das Vertrauen der Familie rechtfertigte meine weiteren Bemühungen. Schließlich, knapp ein Jahr nach Behandlungsbeginn, zeigte sich eine spastische Bronchitis mit dem auskultatorischen Bild einer Lobärpneumonie links basal: Ein Hinweis auf Natrium sulfuricum! Gegeben als C200 ließ es das Mädchen binnen eines Tages genesen. Die Familie hielt nicht einmal die erbetene telefonische Rückmeldung für nötig, da die Heilung so prompt und leicht eintrat. Hier zeigte sich aber eine Krankheitsdisposition, die vorher nicht zu ahnen war. Und dies belegte mir, dass die Haut als die oberflächlichste aller Krankheitsschichten erst der Genesung tieferer Ebenen den Vortritt geben würde. Die Behandlung ging von nun an konsequent mit Natrium sulfuricum weiter, ergänzt zunächst durch Medorrhinum und Thuja. Die Atemwege blieben nun stabil, aber die Heilung des Ekzems forderte noch Geduld. Schließlich kam ich aber doch auf die Idee, angesichts weiterer Juckreizkrisen einmal Psorinum zu versuchen, und das befreite rasch von der Qual. So wurde es die Strategie der folgenden Monate, die Kombination von Natrium sulfuricum, Medorrhinum und Psorinum zu fahren, je nachdem, welche dieser Arzneien sich gerade anbot - gegeben immer in C200. Sophie geht es heute, nach zweieinhalb Jahren Behandlungsdauer gut, die Atemwege sind stabil und das Ekzem ist fast völlig zurückgetreten.

Noch ein Natrium-Salz: Nikita W., der Bruder der ersten Sophia, bot in den ersten Lebensmonaten den klassischen Aspekt des Calcium-carbonicum-Kindes: Fest, kräftig, pastös, schwitzig und pflegeleicht. Da auch er ein Ekzem hatte, hinter den Ohren, in den Kniekehlen, massiv aufgeflammt nach einer Antibiotika-Kur, gab ihm noch die Hebamme Calcium carbonicum C30. Das half für zwei bis drei Wochen, dann nützte es nichts mehr. Die Reaktionen auf Antibiotika sind oft Candida-Infekte, und tatsächlich stellte sich bei ihm eine Windeldermatitis ein - für mich schon ein Hinweis auf die Sykose. Eine sonografisch aufgedeckte Nierenzyste wies in die gleiche Richtung. Schließlich registrierte die Mutter auch bei ihm eine Warzenbildung. So fand meine von Anfang an nicht gleich erfolgreiche Arzneimittelsuche schließlich zu Natrium carbonicum, welches in Kombination mit Medorrhinum das Kind kontinuierlich stabilisierte. Die Haut wurde gesund und im Verlauf der Therapie scheint sich auch sein Stoffwechsel verändert zu haben, denn den Aspekt des dicklich-phlegmatischen Kindes hat er abgelegt.

Nun ein letztes Natrium-Salz: Zunächst ging es um ein Mädchen mit massiver Neurodermitis, dem vor vielen Jahren mit Silicea geholfen werden konnte. Später suchte man mich wieder auf, da eine Neigung zu asthmoider Bronchitis aufgetreten war. Die erneute Fallaufnahme im Lichte neuer Erkenntnisse ließ mich Arsenum sulfuratum flavum wählen, mit dem Ergebnis, dass die Bronchien gesund wurden. Ich hielt die spätere Wahl für die bessere, und erstaunlicherweise genas das Kind, ohne dass, wie man in der Homöopathie erwarten möchte, das Ekzem wieder auftrat. Die Mutter verfolgte die Entwicklung ihrer Kinder peinlich genau, zeigte damit wohl ebenfalls einen dem Arsen-Wesen nahestehenden Charakter. Nun war da noch der Bruder, der ebenfalls von chronischem Husten betroffen war und im Verlauf meiner Behandlung ein Ellenbeugen-Ekzem entwickelte, dem ich lange nicht Herr wurde. Es dauerte eine Weile, bis mir ein Licht aufging und ich zu Natrium arsenicosum fand: Das Ekzem verlor sich und zugleich einige seiner Ängste sowie ein Einnässen tagsüber. Als ein nächtlicher Halsschmerz aufkam, half eine Dosis Syphilinum C200 prompt, gewählt in der Einsicht, dass Arsen dem syphilitischen Miasma zuzuordnen ist. Unter weiteren Gaben von Natrium arsenicosum blieben Haut und Bronchien symptomfrei.(Um die Familienstruktur zu vervollständigen: der Vater fährt bei seinen Problemen gut mit Natrium sulfuricum.)

Nach Beobachtung von J.H.Allen, er wirkte 100 Jahre vor uns, waren zu seiner Zeit 80% der jungen Männer von Gonorrhoe bzw. der Sykose betroffen. Diese Höhe der Ausbreitung möchte ich auch bei uns, in der Gegenwart, für die hereditäre Sykose annehmen. Die Hauptmittel dafür sind neben Medorrhinum, Thuja, Lycopodium und Sepia vor allem die Natrium-Salze - nicht nur nach meiner eigenen Annahme. Dies erklärt für mich den guten Nutzen der Natrium-Salze. Auch nach anderer Kollegen Auffassung bedarf es zum Auftreten gewichtiger Erkrankungen des Zusammenwirkens mehrerer Miasmen. Und dies erklärt für mich, warum die kompletten Salze ihre Berechtigung haben, etwa weil, wie oben schon ausgeführt, in Natrium sulfuricum Psora und Sykose zusammentreffen.

Genug für heute! Weitere Kombinationen anderer Elemente und auf anderen miasmatischen Ebenen in der Behandlung des Ekzems im Artikel Zur Behandlung der Neurodermitis!

Bamberg, im November 2009

Veröffentlicht in der Homöopathie aktuell 1/2010

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