Dr. Ernst Trebin

Allgemeinmedizin - Homöopathie

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Katja Schütt: Klassiker und Schätze der Homöopathie – Eine Rezension

Dass die Schriften Samuel Hahnemanns (1755 bis 1843) nicht so leicht zu lesen sind, steht außer Zweifel. Dass aber ein Samuel Lilienthal (1815 bis 1891) sich die Mühe gemacht hat, diese Texte in eine verständlichere Sprache umzusetzen, erfährt man im Buch von Katja Schütt, die sich intensiv mit alten Meistern der Homöopathie und deren Schriften befasst hat. Unter dem Titel Ein Katechismus über Samuel Hahnemans Organon hat Lilienthal in 83 Absätzen diese Bibel unseres Genres besser verdaulich wiedergegeben.

Katja Schütt, die Herausgeberin, ist von Beruf Diplom-Kauffrau, hat aber auch als Heilpraktikerin vielfach homöopathische Fachliteratur übersetzt, zahlreiche eigene Artikel geschrieben und Interviews geführt sowie Beiträge und Gespräche von Homöopathen weltweit organisiert. Ihr seit 2024 vorliegendes erstes eigenes Buch stellt uns 22 alte Meister vor mit jeweils einem kurzen Lebenslauf, bedeutenden Auszügen aus ihrem Schrifttum und prägnanten Zitaten. Man darf dieses Werk als eine ebenbürtige Ergänzung zu Julian Winstons The Faces of Homoeopathy betrachten, als eine Hommage an wichtige Wegbereiter unserer Zunft.

Selbstverständlich kommt Samuel Hahnemann zu Wort, James Tyler Kent (1849 bis 1916), aber auch Clemens von Bönninghausen (1785 bis 1864). Dass Letzterer schon den Hochpotenzen das Wort redete, wird erwähnt, ebenso dass mit deren Wertschätzung auch ein John Henry Clarke (1853 bis 1931) sich viele Feinde machte. Auch Carroll Dunham (1828 bis 1877) tat sich in diesem Sinne hervor, entwickelte sogar sein eigenes Potenzierungsverfahren. Seine Schriften zeigen, wie umstritten der Weg in die Hochpotenzen war.

Katja Schütt weist auch darauf hin, dass nicht nur mit von Bönninghausen, mit Melanie d’Hervilly (1800 bis 1877), Hahnemanns zweiter Ehefrau, und auch mit James Ellis Barker (1870 bis 1948) Laienhomöopathen eine wichtige Rolle in für die Verbreitung der Homöopathie gespielt haben. Überhaupt spürt man aus den Lebensgeschichten das Feuer und die Leidenschaft, mit der all diese Protagonisten ihr Leben der Heilmethode gewidmet haben; man spürt aber auch die Suche nach der besten Ausübung der Methode. Interessant sind auch die Schlüsselerlebnisse, die so manchen dieser Großen erst an die Homöopathie herangeführt haben, nicht nur Kent, der, wie allgemein bekannt, über die Heilung seiner Frau zum Anhänger der Heilmethode wurde. Mit Constantin Hering (1800 bis 1880) hat sich auch manch anderer vom Saulus zum Paulus mutiert.

Man erfährt aus allen Biografien und Schriftsätzen einen Pioniergeist, das feste, unbeugsame Bekenntnis zur Allmacht der Methode, aber auch die kämpferische Abgrenzung zur Schulmedizin, die in diesen Zeiten sich auf eine rationale Basis zu stellen im Begriff war. Dieser Zwist war damals wohl noch deutlicher als heute, wie der Bericht über Dr. Roberts (1868 bis 1950) zeigt, der im 1. Weltkrieg auf seinem Schiff dank Homöopathie keinen einzigen Soldaten an die Spanische Grippe verlor.

Neben den unveränderlichen Grundregeln kommen in diesen Aufsätzen auch methodische Differenzen zur Sprache, etwa der Art, dass die genuine Homöopathie in der Beseitigung aller Symptome schon die Heilung sieht, während James Compton Burnett (1840 bis 1901) – er wird auch wiedergeben, hätte aber durchaus ein eigenes Kapitel verdient – dieser Auffassung entgegentrat unter anderem mit der besseren Berücksichtigung der Miasmatik. Hahnemann: Alle diese wahrnehmbaren Zeichen repräsentieren die Krankheit in ihrem ganzen Umfange, das ist, sie bilden zusammen die wahre und einzig denkbare Gestalt der Krankheit (Org.). Kent hingegen: Die Wiederherstellung der Gesundheit und nicht die Entfernung von Symptomen ist der erste Punkt. Burnett: Wenn die Homöopathie einmal ihre Säuglingswindeln ablegt, dann werden die subjektiven Symptome für die höhere Homöopathie das sein, was das Buchstabieren für das Lesen ist.

Nette Details tauchen auch auf, etwa dass JH Clarke seine Hausbesuche mit der Kutsche machte und auf der Fahrt seine Bücher schrieb. Das erinnert an eine Notiz Julian Winstons über Elisabeth Wright Hubbard, die ihre beruflichen Fahrten in einem offenen Rolls-Royce-Kabriolett machte, das sie Rosalie nannte. Auch sie hätte ein Kapitel verdient; sie nahm Stellung zum Wert unsere Arzneien mit folgendem Postulat:

Viele neigen dazu, die Pathologie über Bord zu werfen und alle Symptome zu ignorieren, die man ‚pathognomonische Symptome‘ nennt. Doch oft sind wir nicht so erfolgreich, wenn wir nur die funktionellen Symptome berücksichtigen. Die so gefundenen Mittel haben nämlich oft nicht die Fähigkeit, die pathologische Symptomatik hervorzubringen – und können sie darum auch nicht heilen, so schreibt Elizabeth Wright Hubbard (1896 bis1967). (Der Rezensent hat sich erlaubt, Zitate aus anderer Quelle der Buchbeschreibung beizufügen, um die Diskussionen, die dieses Werk abbildet, durch ein paar weitere Gedanken abzurunden.)

Geradezu prophetisch erscheint der Satz von William Garth Boericke (1849 bis 1929), der unterscheidet zwischen einer substanziellen Welt der Ursachen, der Welt des Geistes, in der Gedanken und Gefühle, Wünsche und Begierden in ihren unzähligen Erscheinungsformen existieren, und einer materiellen Welt der Auswirkungen, in der diese in entsprechenden Formen enden und fest und dauerhaft werden. Das beschreibt die Psychosomatik und Ganzheitlichkeit, aber auch die Auswirkungen der Biografie, die in der Schulmedizin noch lange nicht wahrgenommen wurden, der Homöopathie aber essentiell zugrunde liegen.

Die Erinnerungen an das fundamentale Wissen der Homöopathie, die dieses Werk präsentiert, ist nach Ansicht des Rezensenten durchaus sinnvoll, da die Ausübung der Methode in der Gegenwart manche Strömung hat aufkommen lassen, die nicht nur die Qualität verwässert, sondern auch dem Ruf der Homöopathie möglicherweise einen nicht geringen Schaden zugefügt hat. Die Alten hingegen, so liest man, haben nur streng geprüfte Arzneimittel zugelassen und wie Hahnemann die Nichtigkeit übersinnlicher Ergrübelungen und anderer spekulativer Elemente kritisiert. Gleichwohl räumt Constantin Hering ein, dass ein Heilmittel auch Symptome heilen könne, die nicht bei den Arzneimittelprüfungen erschienen sind, was zeigt, dass diese unvollständig seien (und dass die Erfahrungen ab usu in morbis auch ihren Wert haben; der Rez.).

Vor dem Hintergrund eines enormen Literaturstudiums und reichlicher Übersetzungsarbeit entstand hier ein schön aufgemachtes Werk über die Pioniere einer gnadenreichen Heilmethode und mit wertvollen Einblicken in ihre Grundlagen. Tröstlich die Worte Constantin Herings für uns, die wir die Alltagsarbeit verrichten müssen, über die Größe der Homöopathie:

Sie verhütet weit mehr Krankheiten, als die alte Art jemals konnte, und was sie nicht verhüten kann, heilt sie und heilt weit mehr als die alte Art jemals konnte, und was sie nicht heilen kann, das lindert sie und leistet auch hier viel mehr, als alle früheren Methoden.

Wobei man „alt“ wohl auch durch „neu“ ersetzen kann.

Bamberg, im Juli 2025

Schütt, Katja: Klassiker und Schätze der Homöopathie. Kopp-Verlag, Rottenburg; 2024. 480 Seiten, 25 €

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